Die ISS vereint Haupt-, Real- und Gesamtschulen und bietet die Schulabschlüsse der drei ehemaligen Schultypen an. Alle Schülerinnen und Schülern haben auf der ISS die gleichen Bildungsmöglichkeiten. Sie sollen nach ihren individuellen Begabungen gefördert werden, Sitzenbleiben gibt es nicht mehr. Das besondere Plus ist die praxisnahe Schulbildung (Duales Lernen), die alle Schüler schon frühzeitig auf das Berufsleben vorbereitet. Die ISS bietet den gebundenen oder teilgebundenen Ganztagsbetrieb bis 16 Uhr an. Das heißt, die Teilnahme ist nicht überall verpflichtend. Wie die Schulen ihren Ganztagsbetrieb gestalten, ist ihnen überlassen.

Die ISS bietet alle Abschlüsse: Das Abitur (Allgemeine Hochschulreife) nach 12 oder 13 Jahren, den Mittleren Schulabschluss MSA nach 10 Jahren, die einfache Berufsbildungsreife BBR nach Klasse 9 oder Klasse 10 und die erweiterte Berufsbildungsreife eBBR nach der 10. Klasse. Erst die eBBR berechtigt zum Besuch einer weiterführenden Berufsfachschule. Neu seit dem Schuljahr 2013/14: Wer die BBR-Prüfung in der 9. Klasse nicht besteht, erreicht die Berufsbildungsreife mit Besuch der 10. Klasse automatisch. Sind die Noten gut genug, können jetzt noch die Prüfungen zur eBBR oder zum MSA gemacht werden.

Verglichen mit Haupt- und Realschulen veränderte sich die Klassengröße in der neuen Schulform stark. An Hauptschulen gab es vorher höchstens 18 bis 22 Schüler pro Klasse,  an den Realschulen lag die Grenze bei 29 Schülern. Die 7. Klassen der ISS haben ab dem Schuljahr 2014/15 noch maximal 25 Schüler.

Kurz nach Umsetzung der Reform saßen in einer 7. Sekundarschulklasse noch 26 Schüler. Da es aber so viele Rückläufer gab - also Schüler, die das Probejahr auf dem Gymnasium nicht bestanden hatten - musste eine neue Regelung her. Eigens eingerichtete Rückläuferklassen hatten sich als problematisch erwiesen. Künftig bleibt ein Platz pro Klasse für eventuelle Rückläufer reserviert.

Ziel ist ein durchlässiges Schulsystem ohne Vorfestlegungen. Die Schüler sollen in heterogenen Gruppen nach ihren individuellen Fähigkeiten gefördert werden. Sie können innerhalb einer Gruppe unterschiedliche Aufgaben bekommen oder in kleinen Lerngruppen arbeiten. Allerdings gibt es auch an den Sekundarschulen eine äußere Leistungsdifferenzierung: Ab Klasse 9 wird in Kursen entweder auf Grundniveau (G) oder in einer Erweiterungsstufe (E) gearbeitet.

Es gibt in Berlin aktuell 119 Sekundarschulen, 35 davon mit hauseigener gymnasialer Oberstufe. Die Schulen ohne Oberstufe kooperieren mit Oberstufenzentren, an denen die Allgemeine Hochschul- und die Allgemeine Fachhochschulreife abgelegt werden kann. 

Das dreigliedrige Schulsystem entsprach nicht mehr den Bedürfnissen der Schüler und ihrer Eltern. Anfang der 1970er-Jahre gingen noch mehr als 40 Prozent der Berliner Schüler auf eine Hauptschule, 1999 waren es nur noch sechs Prozent. Hauptschulabsolventen hatten auf dem Arbeitsmarkt schlechtere Chancen. Viele Unternehmen und Betriebe bevorzugten Azubis mit höheren Abschlüssen.

Nach den ersten PISA-Ergebnissen 2001 war zudem deutlich geworden, wie sehr der Bildungserfolg in Deutschland vom sozialen Hintergrund abhängt. Kaum ein OECD-Land hatte bei der Chancengerechtigkeit so schlecht abgeschnitten wie Deutschland. Eine Empfehlung der OECD damals lautete, das Schulsystem durchlässiger zu gestalten, damit alle Schüler bessere und vor allem gleiche Bildungsmöglichkeiten bekommen. In Berlin und anderen Bundesländern war die Abschaffung des dreigliedrigen Systems das Gebot der Stunde.

Die neue Schulstruktur kostet jährlich 24,1 Millionen Euro mehr als vor 2010. Zudem sind im Reformjahr einmalig 10 Millionen Euro für die Umstellung des Systems geflossen. Im Zuge der Umstellung wurden in Berlin 430 Lehrkräfte, Sozialarbeiter und Erzieher zusätzlich eingestellt.

1. Durchlässigkeit

Mit der Reform wurde die Probezeit auf dem Gymnasium von einem halben Jahr auf ein Jahr verlängert. Kritiker finden die Probezeit auf dem Gymnasium generell ungerecht, weil das Gymnasium dadurch eine elitäre Note behalte, die ISS dagegen die so genannten Rückläufer aufnehmen muss - also die Schüler, die das Gymnasium nicht schaffen.

An der ISS gibt es weder Probezeit noch Sitzenbleiben. Letzteres sehen nach einem Zwischenergebnis der BERLIN-Studie vor allem Eltern kritisch, weil sich die Länge der Schulzeit nicht mehr an die individuellen Leistungen ihrer Kinder anpassen lässt. Allerdings ermöglicht das Berliner Schulgesetz auch an den ISS Ausnahmen von der Regel: In "besonders begründeten Fällen" können Jahrgangsstufen wiederholt werden. Befürworter der Gemeinschaftsschule finden die Reform inkonsequent: Die soziale Selektion bestehe auch im zweigliedrigen System weiter.

2. Bessere Leistungen?

Vorbehalte gegen das neue System gab es von Anfang an: Die schwachen Schüler könnten untergehen, weil sie dem Unterricht nicht mehr so gut folgen können wie in den kleineren Klassen, die es an den Hauptschulen gab. Die guten Schüler könnten schlechtere Leistungen bringen, weil sie sich an ein niedrigeres Niveau anpassen müssen. Befürworter dagegen hoffen, dass der Leistungsdurchschnitt insgesamt höher liegt, die Abschlüsse besser und die Schulabbrecher seltener werden. Was sich am Ende bewahrheitet, ist noch nicht klar: Die Ergebnisse von begleitenden wissenschaftlichen Studien stehen noch aus.

3. Ausstattung

Die Vereinigung der Schulleiter in der GEW kritisiert, dass Lehrer an Sekundarschulen mit Hauptschulklientel größere Klassen als früher unterrichten müssen. Zudem seien bei der Umstellung unter großem Zeitdruck Entscheidungen über Baumaßnahmen getroffen worden, die nicht immer sinnvoll waren.

Die Strukturreform wird durch die BERLIN-Studie wissenschaftlich begleitet. Ein erstes Zwischenergebnis zeigt, dass die meisten Schulleiter, Lehrer und Eltern zufrieden mit der Abschaffung der Hauptschule und der neuen Zweigliedrigkeit sind. Sie befürworten das gemeinsame Lernen auf dem Weg zu unterschiedlichen Abschlüssen ebenso wie den Ganztagsschulbetrieb.

Grundschullehrer sind zufrieden, weil sie nicht mehr unter dem Druck stehen, frühzeitig Empfehlungen abgeben zu müssen, ob ein Kind für das Abitur geeignet ist oder nicht.

Vertreter der Wirtschaft setzen große Hoffnungen auf das Duale Lernen an den ISS und erwarten besser qualifizierte Schulabgänger und weniger Abbrecher.

Die von vielen Skeptikern prophezeite Flucht ins Gymnasium ist ausgeblieben. Laut Berliner Bildungsverwaltung haben sich die Anmeldezahlen in den vergangenen Jahren gleichmäßig verteilt. Im Schuljahr 2014/15 wollen 43 Prozent der Schülerinnen und Schüler am Gymnasium lernen, 57 Prozent bevorzugen die Sekundarschule - etwa genau so viele wie im Jahr davor. Auffällig ist, dass sich 17 Prozent der Schüler trotz Gymnasialempfehlung für die Sekundarschule entschieden haben. Das Abitur an der ISS zu machen gilt vielen als attraktiv, da hier für das Erlernen des gleichen Schulstoffs ein Jahr mehr zur Verfügung steht.

Das Losverfahren ist an den so genannten übernachgefragten Sekundarschulen und Gymnasien nötig, die weniger Plätze als Bewerber haben. Es soll getreu den Prinzipien der Schulreform gleiche Chancen für alle gewährleisten.

Wie funktioniert es?

60 Prozent der Plätze vergibt die Schule nach eigenen Kriterien, 10 Prozent sind Härtefällen vorbehalten und die restlichen 30 Prozent kommen in den Lostopf. Nach der Schulgesetzreform von 2014 sollen Geschwisterkinder künftig bevorzugt werden. Ihre Plätze werden zunächst dem zehnprozentigen Härtefall-Kontingent entnommen. Falls das nicht reicht, erhalten sie Plätze aus dem Kontingent, das für das Losverfahren gedacht ist.

Die Gemeinschaftsschule ist eine Schule für alle Kinder von der 1. bis zur 10. Klasse bzw. bis zum Abitur. Berlin hat diesen Schultyp im Jahr 2008 als Pilotprojekt mit wissenschaftlicher Begleitung eingeführt. Schulen konnten auf freiwilliger Basis Gemeinschaftsschule werden und sich beim Senat darum bewerben. Insgesamt hat Berlin 11 Gemeinschaftsschulen. Anhänger der Gemeinschaftsschule sehen das gemeinsame Lernen miteinander und voneinander als großen Vorteil dieses Schultyps. Eine erste wissenschaftliche Untersuchung von 2012 belegt die große Zufriedenheit der Eltern: Die meisten würden sich wieder für die Gemeinschaftsschule entscheiden.

Schulen mit besonders vielen Problemen, einer hohen Abbrecherquote oder vielen Schulschwänzern werden in Berlin häufig "Brennpunkt-Schulen" genannt. Seit Februar 2014 erhalten sie eine eigene Förderung. Der Senat hat genau festgelegt, unter welchen Bedingungen eine Schule als bedürftig gilt. Danach muss mindestens die Hälfte der Schüler aus armen Familien kommen - also aus Familien, die von der Lernmittelzuzahlung von 100 Euro pro Jahr befreit sind. Erfüllt die Schule diese Bedingung, kann sie bis zu 100.000 Euro für zusätzliche Sozialarbeiter oder Förderprojekte erhalten.

Ein Ziel der Berliner Bildungspolitik ist die Senkung der Abbrecherquote. Seit Jahren ist Berlin Schlusslicht im deutschlandweiten Vergleich. Mit 7,9 Prozent im Jahr 2012/13 liegt die Schulabbrecherquote immer noch deutlich über dem Bundesdurchschnitt von 6 Prozent. Allerdings verzeichnet die Stadt einen leichten Rückgang: Im Schuljahr 2007/8 verließen noch 10,1 Prozent die Schule ohne Abschluss. Seit dem Schuljahr 2013/14 gilt zudem: Wer die BBR-Prüfung in der 9. Klasse nicht besteht, erreicht die Berufsbildungsreife mit Besuch der 10. Klasse automatisch. Sind die Noten gut genug, können jetzt noch die Prüfungen zur eBBR oder zum MSA gemacht werden.