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Audio: Inforadio | 17.06.2014 | Sylvia Tiegs

Gesamtschulen sind oft Gewinner der Reform - "Schulabbrecher drastisch reduziert"

Alle waren gespannt, wie gut es wirklich laufen würde: Zum Schuljahr 2010/11 gab es in Berlin keine Haupt-, Real- und Gesamtschulen mehr, fortan existierte neben dem Gymnasium nur noch die Sekundarschule. Real- und Hauptschulen wurden zusammengelegt, auch die Gesamtschulen wurden umgestellt. Und sie haben die Reform offenbar am besten verkraftet. Von Sylvia Tiegs

Der Eingang in der Rüdersdorfer Straße bröckelt, die Handwerker sind gerade da. Aber das schreckt weder Eltern noch Schüler ab. Schon das vierte Jahr in Folge wird die Ellen-Key-Schule in Friedrichshain geradezu überrannt: Schulleiter Jörg-Michael Rietz hat "wenn ich mich recht entsinne, 157 Anmeldungen auf 104 Plätze." So groß wie die Nachfrage ist auch die Spannbreite der Schüler, sagt Rietz: "Wir sind breit aufgestellt, das heißt, wir haben in unseren Reihen Schüler, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf haben, und Schülerinnen und Schüler, die am Ende ihr Abitur mit einem Einser-Durchschnitt beenden."

Jetzt wird viel länger gemeinsam gelernt

Und dazwischen das ganz normale Mittelfeld. Die Ellen-Key-Oberschule genießt viel Vertrauen bei Eltern unterschiedlichster Kinder, denn sie war vor der Reform eine Gesamtschule - bot also schon immer alle Abschlüsse an. Aber: Zu Gesamtschulzeiten wurden die Schüler hier von Anfang an in Kursen auseinandersortiert, je nach Leistungsvermögen. Das war das erste, was sie als Sekundarschule abgeschafft haben. Denn Schulleiter Rietz und sein Team glauben inzwischen an das gemeinsame Lernen: "Es gibt ja auch Studien, die belegen, dass, wenn Kinder auf unterschiedlichen Leistungsniveaus gemeinsam lernen, dass da die Effekte wesentlich nachhaltiger und auch effizienter sind."

Vorher zu viele Jugendliche verloren

Erst ab Klasse 9 trennt die Ellen-Key ihre Schüler nach Leistung auf. Besonderes Augenmerk gilt dabei möglichen Schulabbrechern. "Als Gesamtschule haben wir zu viele Jugendliche verloren - sie kamen im herkömmlichen Unterricht nicht mehr mit. Das wollten wir als Sekundarschule unbedingt anders machen", sagt der stellvertretende Schulleiter Norbert Schütte: "Wir haben gesagt, für diese Schülerinnen und Schüler brauchen wir ein anderes Angebot. Und dieses Angebot ist die werkpädagogische Gruppe." Die besteht aus vier Werkbereichen: Farb- und Raumgestaltung, Garten- und Landschaftsbau, Hotel- und Gaststättengewerbe/gesunde Ernährung und Holzbearbeitung.

Hochqualifizierte Werkpädagogen unterrichten diese Gruppe - und bereiten sie gezielt auf das Berufsleben vor. Dabei stellen diese Schüler unter anderem neue Möbel für ihre Schule her. So erfahren auch sie: sie können was, sie werden gebraucht. Das Konzept geht auf, sagt Schütte: "Man kann sagen, dass wir die Zahl der Schulabbrecher beziehungsweise der Schüler, die ohne Schulabschluss die Schule verlassen, drastisch reduzieren konnten."

Und das, meinen beide Schulleiter, sei vielleicht ihr schönster Erfolg als Sekundarschule.

 

Beitrag von Sylvia Tiegs

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