- Foto: rbb Inforadio/Gabriele Heuser
Audio: Inforadio | 16.06.2014 | Kirsten Buchmann

Bilanz der Sekundarschulreform - "Das Stigma 'Hauptschule' ist weg"

Die erste Generation Sekundarschule macht in diesen Tagen ihren Abschluss: Über zehntausend Schüler und hunderte Lehrer hatten sich vor vier Jahren auf den Weg in ein neues Schulsystem gemacht. Der Zusammenschluss von Haupt- und Realschulen zu Sekundarschulen 2010 war eine der größten Berliner Schulreformen seit Jahrzehnten.

Die Carl-Bosch-Oberschule in Reinickendorf ist eine ehemalige Hauptschule. Inzwischen landen hier mehr leistungsstärkere Schüler als früher. So wie Alexandra. Sie will nach dem mittleren Schulabschluss erstmal eine Ausbildung machen und danach "mal gucken, ob ich das mit dem Fachabitur hinbekomme. Und dann studieren. Sportjournalismus."

Für seine Schule sei die Schulreform ausgezeichnet gelaufen, sagt der Leiter der Carl-Bosch-Schule, Dietmar Weißleder. "Ganz eindeutig. Das Stigma Hauptschule ist weg, das ist ein ganz großer Vorteil", sagt er. "Aber auch, dass wir deutlich flexibler sind, Profile zu entwickeln, Schüler individuell zu fördern, und das ist eins unserer Ziele gewesen, was wir gerne machen wollten, von Anfang an."

- Foto: rbb Inforadio/Gabriele Heuser
Individuelle Förderung ist das wichtigste Ziel

Nicht überall ist es besser geworden

So positiv ist das Bild allerdings nicht an allen einstigen Hautschulen – einige ehemalige Hauptschulen unterrichten eine ähnliche Schülerklientel wie früher, nur jetzt als Sekundarschulen in größeren Klassen, sagt der stellvertretende Vorsitzende der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) in Tempelhof-Schöneberg, Thomas Schmidt. Ein Sparmodell sei das. "Früher hatte man bei der Hauptschule wesentlich geringere Klassenfrequenzen und das ist, denke ich, ein ganz wesentlicher Punkt." Eltern zögerten denn auch, ihre Kinder in diesen Sekundarschulen anzumelden.

Ehemalige Gesamtschulen besonders beliebt

Ehemalige Gesamtschulen wiederum zählen zu den beliebtesten Sekundarschulen, zumal die meisten eine eigene Oberstufe haben. Die Ellen-Key-Schule, eine ehemalige Gesamtschule in Friedrichshain, hat deutlich mehr Anfragen als Schulplätze. "Ich denke, wir waren schon vor der Schulstrukturreform eine gute Alternative zum Gymnasium", sagt der stellvertretende Schulleiter Norbert Schütte. "Wir haben das weiterentwickeln können und sind fest davon überzeugt, dass wir mittlerweile die bessere Alternative zum Gymnasium sind. Für fast alle Schüler, egal, ob mit Förderbedarf oder extrem leistungsstark."

Ziel der Schule sei es, alle zum bestmöglichen Abschluss zu führen. Durch die eigene Oberstufe geht das an der Ellen-Key-Schule ohne Schulwechsel bis zum Abitur. Auch ehemalige Realschulen und fusionierte Haupt- und Realschulen wünschen sich oft eine eigene Oberstufe, um mehr Schüler mit Gymnasialniveau zu bekommen. Wenn ihre Schüler die gymnasiale Oberstufe besuchen wollen, müssen sie auf ein Oberstufenzentrum wechseln. Dort können sie das Abitur ablegen, aber auch den mittleren Schulabschluss nachholen. Eine eigene Oberstufe haben laut der Bildungsverwaltung 35 der 118 öffentlichen Sekundarschulen in Berlin.

Beitrag von Kirsten Buchmann

Mehr zum Thema

dpa

Warum die Berliner Schulreform unausweichlich war - Hauptschüler waren überhaupt nichts mehr wert

Sämtliche Rettungsversuche waren gescheitert – die Hauptschule in Berlin als Bestandteil des dreigliedrigen Schulsystems hatte keine Überlebenschance. Weder für Eltern noch für Lehrer und Betriebe galt ihr Angebot als attraktiv. Andere Bundesländer machten es vor, Berlin zog nach und schaffte vor vier Jahren die Hauptschule ab. Die Reform war dringend nötig. Von Anne-Katrin Mellmann und Martina Schrey