Ehemalige Hauptschulen hatten es schwerer - "Wir mussten ganz schön umdenken"

An vielen Berliner Hauptschulen waren die Lehrer engagiert und die Klassen klein. Trotzdem schafften viele Hauptschüler den Abschluss nicht - und wenn doch, fanden sie keine Lehrstelle. Nur ein Bruchteil der Eltern meldete ihre Kinder dort an. Seit vier Jahren gibt es diesen Schultyp nicht mehr. Doch nicht alle sind mit einer Realschule fusioniert. Sylvia Tiegs hat erkundet, wie es ihnen heute ergeht.

Maurice und Alexandra haben Pause. Die beiden 15jährigen besuchen die Carl-Bosch-Sekundarschule in Berlin-Reinickendorf. Wenn es nach Maurice geht, nur noch ein Jahr: "Abi und so ist jetzt nicht so mein Ding. Ich bin froh, wenn ich die zehn Jahre hinter mir und den MSA geschafft habe!" Den MSA - das ist der mittlere Schulabschluss. Alexandra dagegen möchte gucken, "ob ich es mit dem Fachabi hinbekomme. Und dann studieren". Schüler wie Alexandra hatte Schulleiter Dietmar Weißleder früher eher selten. Vor der Reform war die Carl-Bosch noch eine reine Hauptschule.

Jetzt soll die Schule auch Lernbegabte fördern

"Die Durchmischung war natürlich einene andere, in der Zeit, in der wir Hauptschule waren", sagt er. "Aber wir haben immer auch Schüler gehabt, die das Gymnasium angepeilt haben. Aber das war natürlich nicht die Zielrichtung der Hauptschule."

Die sah nämlich im Wesentlichen so aus, langsam Lernende ganz praktisch auf das Berufsleben vorzubereiten. "Als Sekundarschule mussten wir dann ganz schön umdenken", erinnert sich Schulleiter Dietmar Weißleder - denn nun hieß der Auftrag: Auch die Lernbegabten fördern. Die Carl-Bosch stellte sich der Reform: "Im Jahr 2010, als sich das mit der Integrierten Sekundarschule abzeichnete, haben wir angefangen, hatten Studientage, haben uns Fortbildungen organisiert und uns angeschaut, wie wird es denn anderswo gemacht, was gibt es für Möglichkeiten. Wir haben uns ein Programm erarbeitet, aber wir sind immer noch in einer Entwicklung."

Schulen ohne Oberstufen sind nicht so beliebt

Bei dieser Entwicklung fehlt dem Schulleiter noch eine eigene gymnasiale Oberstufe. Als ehemalige Hauptschule hat er die nicht. Er muss, wie die meisten Sekundarschulen, mögliche Abitur-Kandidaten wie Alexandra nach der 10. Klasse wegschicken - auf ein Oberstufenzentrum zum Beispiel. Vielen Eltern von leistungsstarken Kindern gefällt das nicht, weshalb Schulleiter wie Dietmar Weißleder einige Mühe haben, diese Schüler in nennenswerter Zahl für seine Schule zu gewinnen.

Trotzdem sagt er, die Sekundarschulreform sei insgesamt richtig gewesen:  "Also ganz eindeutig. Das Stigma 'Hauptschule' ist weg, das, denke ich, ist ein ganz großer Vorteil. Ich sehe aber auch: Die Sekundarschule bietet die größere Möglichkeit, Profile zu entwickeln, Schwerpunkte zu setzen, individuell Schüler zu fördern – und das ist eines unserer Ziele gewesen. Von Anfang an."