ISS Sekundarschule Röntgenschule Klassenfoto 7d (Quelle: Röntgenschule)

Nahaufnahme vom 29.10.2010 - Wie kommen die Kinder klar?

Montag, erster Schultag nach den Herbstferien. Die Schüler der 7d sind überwiegend gerne zurück gekommen, sagen sie.

Montag, erster Schultag nach den Herbstferien. Die Schüler der 7d sind überwiegend gerne zurückgekommen, sagen sie, die Stimmung ist gut. Blendona, ein zierliches Mädchen mit langen Haaren, sitzt am Fenster. Sie gehört in der Klasse nicht zu denen, die sich gern in den Vordergrund drängen, aber im Unterricht kommt sie ganz gut mit, erzählt sie mir im leeren Klassenraum nebenan:

Blendona Demiraj (Bild: Bild: rbb-inforadio)

Blendona

alle meinten ja, wird bestimmt schwer, aber ist jetzt nicht.
Hast du ein Lieblingsfach?
Mathe mag ich eigentlich. Das lief schon seit der ersten Klasse ganz gut bei mir.

Der quirlige Yunus ist im Unterschied zu ihr immer dabei, wenn es um einen coolen Spruch geht. Deshalb sitzt er im Unterricht ganz vorne, nah beim Lehrer. Er weiß, dass er ein guter Schüler sein könnte, aber manchmal fehlt ihm der nötige Ernst und die Disziplin. Da will er noch dran arbeiten, versichert er mir. Bei der Deutscharbeit vor den Ferien, hat er dafür schon wichtige Erkenntnisse gesammelt:

Yununs

Ich wird an meiner Schnelligkeit arbeiten, wie ich die Aufgaben löse und welche ich zu erst löse. Von der leichtesten zu schwersten.

Nicht ganz so selbstsicher wirkt Mahmoud - er gibt zu, dass er hin und wieder Schwierigkeiten hat, den Stoff zu verstehen:

Mahmoud und Rosa (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)

Mahmoud

Manchmal bei Mathe und Englisch. Da komm ich nicht so gut weiter. Ich versteh manche Sachen nicht und so und dann frag ich halt die Lehrerin und dann dauert es ein bisschen lange, bis ich versteh.
Wie kommst du damit klar, dass manche in der Klasse immer aufstehen und rumlaufen?
Das ist normal. In der Grundschule war es auch so.
Aber du bist eher ein ruhiger Typ?
Ja.
Ja, aber wenn andere Jungs neben mir sitzen, bin ich aufgedreht.
Wie kommt das?
Weiß nicht. Das ist bei Jungs untereinander so.

Und dann haben es die Lehrer natürlich besonders schwer. Sie haben inzwischen gemerkt, dass sie die große Bandbreite an unterschiedlichen Temperamenten und Begabungen in einer Klasse vor ganz neue Herausforderungen in der Praxis stellt. Klassenlehrerin Gabriela Lehnen muss an diesem Vormittag ein paar Schüler im Trainingsraum bei einer schriftlichen Prüfung beaufsichtigen, deshalb können wir uns nur im Flüsterton unterhalten.

Gabriela Lehnen

Glücklich bin ich nicht, weil ich der Meinung bin, dass ich dieser heterogenen Schülergruppe einfach nicht gerecht werde. Im Laufe der Zeit habe ich festgestellt, dass man doch überwiegend Unterricht mit denen macht, die sich in den Vordergrund stellen, die eigentlich eine Realschulempfehlung haben und dass doch viele SchülerInnen die ein bisschen stiller und zurückhaltender sind, die vielleicht auch noch nicht so viel können doch dabei auf der Strecke bleiben.
Klingt eher so, als seien die Hauptschüler die Verlierer. Die Befürchtung ist ja, dass die Realschüler runtergezogen werden auf das Niveau?
Es ist genau anders herum. Hauptschüler sind die Verlierer. Erleichtert wird das ganze, wenn wir zu zweit vor einer Klasse stehen. Dann merke ich, dass ich SchülerInnen anspreche, die sich sonst kaum beteiligen. Und wenn ich die dann anspreche, haben die sehr oft ein Aha-Erlebnis.

Das überrascht mich, denn gerade die Schwächern sollten ja von der Reform profitieren. Offenbar haben vor allem die ehemaligen Realschullehrer noch damit zu kämpfen, sich auf das niedrigere Leistungsvermögen mancher Schüler einzustellen. Auch Detlef Bachmann, dem zweiten Klassenlehrer der 7d, geht das so.

Reporterin Gabriele Heuser interviewt Lehrer Detlef Bachmann (Bild: rbb-Inforadio)

Detlef Bachmann

Bei manchen Schülern korrigier ich meine Ansprüche nach unten. Die schaffen das nicht, was wir früher an der Realschule mit den Schülern machen konnten. Das Potential ist im Moment noch nicht da. Da muss etliches nachgearbeitet werden.

Aber w i e, das ist eine Frage, die bislang noch nicht zufriedenstellend beantwortet werden kann, bestätigt mir Schulleiter Detlef Pawollek.

Detlef Pawollek

Es ist klar, dass mit einer Binnendifferenzierung eine so große Heterogenität nicht auszugleichen ist. In diesen Fragen herrscht von Ratlosigkeit bis zu Unzufriedenheit bei den Lehrern. Wir müssen sehen, wie wir für diese Schüler noch mal ein Nachhilfeangebot auf die Beine stellen können.

Doch dafür ist kein Extra-Geld vorhanden. Auch die betroffene Lehrerin Gabriela Lehnen fühlt sich ohne zusätzliche Hilfe jetzt allein gelassen. Die Fortbildungen vor Schuljahresbeginn für das gemeinsame Unterrichten der neuen Schülergruppen reichen ihr nicht aus. Zu unterschiedlich sind die gewohnten Unterrichtsmethoden an Haupt- und Realschulen - in manchen Klassenteams prallen die bereits heftig aufeinander - das Nachsehen haben die schwächeren Schüler.

Gabriela Lehnen

Ich würde mir wünschen, dass die Anregungen, die wir bekommen haben, dass daran noch mal gearbeitet wird. Dass wir hier in der Schule begleitet werden. Ich weiß, dass ich auf die unterschiedlichen Schülergruppen eingehen muss, ich weiß aber nicht wie.

Im Moment muss einfach vieles immer noch improvisiert werden. Das wird am Ende der Biologiestunde deutlich

Zu den offenen Fragen im Kollegium kam in den Herbstferien noch die Hiobsbotschaft, dass im Cafeteriabereich die frisch gemachten Wände feucht sind und der Putz abfällt. Also keine Mittagsversorgung nach den Ferien, - berichtet Schulleiter Pawollek. Außerdem, so sagt er, sind durch die Insolvenz des Kooperationspartners für das Nachmittagsangebot die Verträge noch immer nicht unterschrieben und auch die geplante Zusammenarbeit mit der Musikschule scheiterte bislang an der Vertragsvorgabe durch den Senat:

Detlef Pawollek

Das sind alles Hindernisse, die ich im Vorfeld nicht so erwartet habe, mit denen ich aber umgehen muss. Von meiner Natur her ist das etwas, was mir überhaupt nicht behagt, weil ich es fürchterlich finde, mir immer wieder Ziele zu setzen und dann eingestehen zu müssen, diese Ziele nicht erreicht zu haben.

Wenn man all dies betrachtet, sind die Schüler dabei noch ganz zufrieden - wie es weitergeht, werden wir sehen. Fortsetzung folgt.