Nahaufnahme vom 20. Juni 2014 - Warten auf die Zeugnise

Die Schüler der Röntgenschule haben inzwischen ihre Abschlussprüfungen hinter sich und warten auf die Zeugnisse. Inforadio-Reporterin Gabriele Heuser hat bei Schülern, Lehrern und Schulleitung nachgefragt, wie die Bilanz der ersten Absolventen der Sekundarschule ausfällt.

An Unterricht ist kaum noch zu denken in diesen Tagen, und selbst die Organisation der Abschlussfeier entpuppt sich als mühsam. Klassenlehrerin Gabriela Lehnen versucht das Geld dafür einzutreiben, aber längst nicht alle, die sich angemeldet haben, wollen jetzt noch mitmachen und bezahlen. Der Druck ist weg, und irgendwie fehlt der Biss. Das Ende der Sekundarschulzeit ist da, das spürt die Lehrerin ganz deutlich.

"Meine Gefühle sind sehr zwiespältig", sagt Klassenlehrerin Lehnen. "Auf der einen Seite bin ich sehr, sehr traurig, so eine nette Klasse zu verlieren. Auf der anderen Seite ist natürlich klar, sie sind jetzt soweit. Sie werden flügge. Sie müssen entweder in einen Beruf gehen oder eben auch die Schule weitermachen. Zur Zeit ist es wirklich so, dass die Luft raus ist. Es ärgert mich auch ein bisschen, dass sie zum Teil nicht zur Schule kommen. Das ist kein schöner Abschluss."

Auch der zweite Klassenlehrer, Detlef Bachmann, sitzt jetzt manchmal fast allein im Klassenraum: "Am Freitag hätten in meinem Mathekurs 16 Schüler sein müssen, drei waren da."

Mathe_Prüfung (Quelle: rbb)
Die Schüler der 10 d schreiben ihre Matheprüfung. (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)

Enttäuschende Ergebnisse in Mathe

Noch wissen die Schüler nicht genau, wie sie abgeschnitten haben. Nur einigen, die eine Nachprüfung machen müssen, um den Schulabschluss zu bekommen, wurde das schon mitgeteilt. Kopfschüttelnd blättert der ehemalige Realschullehrer Bachmann durch die Ergebnislisten der Prüfungen zum Mittleren Schulabschluss oder der erweiterten Berufsbildungsreife. "Beispielsweise MSA Deutsch fünf, Mathe sechs. Der muss zusehen, dass er die Mathe-Sechs wegkriegt. Die Fünf kann er mit einer Präsentationsprüfung ausgleichen, das ist zusammen eine Vier. Wenn er in der mündlichen Nachprüfung in Mathematik ein einigermaßen gutes Ergebnis erzielt, kann er die Sechs wegkriegen", so Klassenlehrer Bachmann.

"Es zieht sich so durch die Klasse durch. Wir haben in Mathematik zwei Schüler, die eine Vier geschrieben haben, alle anderen haben eine Fünf geschrieben", sagt Detlef Bachmann. Enttäuschend sind die Mathe-Ergebnisse, sogar im erweiterten Kurs auf höherem Niveau. Und das ist in den anderen zehnten Klassen an der Röntgenschule ähnlich, sagt Detlef Bachmann. Bei ihm sitzt der Frust darüber tief, so tief, dass er beschlossen hat, nur noch ein Jahr weiter zu unterrichten und dann vorzeitig in den Ruhestand zu gehen.

"Wir haben halt das Problem unseres Kiezes. Ich kann mir nicht vorstellen, dass es in anderen Bezirken ähnlich schwach ist. Unsere Klientel kommt zum Teil ja wirklich aus bildungsfernen Haushalten. Da ist das leider so, wir kommen nicht wirklich ran", stellt Bachmann enttäuscht fest.

Lehrerin Gabriela Lehnen

Zu den Gewinnern dieser Schulreform zählt sich auch Rosa. Obwohl sie das Prüfungsergebnis noch nicht kennt, ist sie sehr zufrieden mit ihrer Schulzeit. "Meine jetzige Schule hat mir in den vier Jahren sehr gut gefallen. Die Lehrer sind alle sehr nett und helfen immer. Sie fragen ständig, ob man etwas auch richtig verstanden hat."

Doch damit die Sekundarschule nicht nur für die früheren Hauptschüler zum Erfolg wird, wünscht sich ihre Lehrerin Gabriela Lehnen insgesamt bessere Rahmenbedinungen. "Wir sollen eine gebundene Ganztagsschule sein, aber sie geben uns gar nicht die Räumlichkeiten. Die Bedingungen stimmen schon gar nicht. Wir sollen differenzieren, aber wo ist denn der Differenzierungsraum? Mit 23 Siebtklässlern in einem Raum kann man keine Stationsarbeit machen."

Mahmoud und Yunus

Das ist eine Erfahrung, die Yunus aus ihrer 10 d auch zur Genüge kennt und kritisiert. Er gehört immer noch zu denen in der Klasse, die nach wie vor lieber an eine richtige Realschule gegangen wären. Das sagt er auch am Ende seiner Schulzeit noch. "Dieses System hat sich nicht bewährt. Nicht nur ich selbst, auch Kameraden von mir waren schon in der siebten und achten Klasse sehr unterfordert, ich beispielsweise in Englisch. Da hatten wir noch keine Differenzierung und das große Problem war, dass ich als ich unterfordert war, so faul wurde, dass ich mich auf das andere Niveau herabgelassen habe", sagt Yunus.

Als es in den Hauptfächern die Aufteilung in unterschiedliche Kursniveaus gab, fiel es ihm schwer, sich an das gesteigerte Niveau im E-Kurs zu gewöhnen und mitzuhalten. Trotzdem wird Yunus ein gutes Zeugnis bekommen, den Mittleren Schulabschluss hat er sicher in der Tasche und vermutlich wird sich in den nächsten Wochen auch ein Ausbildungsplatz im Büromangement für ihn finden, die letzten Bewerbungsgespräche liefen gut, sagt er. "Letzte Woche war ich bei einer Personaldienstleistungs-GmbH und es hat mir dort sehr gut gefallen. Ich konnte mich so präsentieren, wie ich wollte. Ich habe etwas Routine und das ist sehr gut gelaufen. Jetzt habe ich noch bei der Konrad-Adenauer-Stiftung meinen Einstellungstest und nächste Woche bei Vattenfall mein Vorstellungsgespräch".

Schulleiter Detlef Pawollek

Weniger Fehlstunden als früher

Wie viele aus der 10d mit einem Durchschnitt von 3,0 auf dem Zeugnis den Übergang in eine gymnasiale Oberstufe schaffen, um auf direktem Weg dann dort das Abitur zu machen, kann mir Klassenlehrer Detlef Bachmann noch nicht sagen, als ich ihn danach frage: "Vielleicht fünf. Ich weiß noch nicht, wie es insgesamt ausgeht. Am Wochenende bin ich schlauer, dann haben wir den Überblick, ob sie diesen Schnitt wirklich überall schaffen." Wenn sich seine Vermutun bestätigt, wäre er mit der Quote zufrieden.

Doch für den Schulleiter misst sich der Erfolg der letzten vier Jahre nicht nur an den erzielten Abschlüssen in seiner Sekundarschule. Auch der zuverlässigere Schulbesuch hat ihn positiv überrascht. Im Vergleich zu seiner Hauptschule früher haben sich die Fehlstunden in einem Jahr an der Röntgenschule halbiert, sagt Detelf Pawollek. "Diese vier Jahre haben uns einen Eindruck davon gegeben, was eine Sekundarschule mal sein wird. Wir haben eine Ahnung davon, wir wissen, wo die Hürden liegen und wir werden jetzt in den weiteren vier Jahren sehen, dass wir das im nächsten Durchgang besser machen. Keiner kann erwarten, dass innerhalb von vier Jahren Berge versetzt werden und wir plötzlich blühende Bildungslandschaften produzieren können."

Was nun wird aus Rosa, Mahmoud, Chahira, Orkan, Blendona und Yunus sowie all den anderen aus dem ersten Jahrgang an der Sekundarschule ? Wer weiß, der Vorhang fällt und viele Fragen bleiben offen.