Nahaufnahme vom 11.04.2014 - Der Weg in den Beruf

Seit 2010 begleitet Inforadio an der Röntgenschule in Neukölln den ersten Jahrgang der Sekundarschule, die Haupt- und Realschulen ersetzt. Gabriele Heuser war in der Sprechstunde der Berufsberaterin.

Noch bis zu den Sommerferien begleitet Inforadio an der Röntgenschule in Neukölln den ersten Jahrgang der Sekundarschule, die in Berlin seit 2010 Haupt- und Realschulen ersetzt. Jetzt stand der erste Teil der Prüfungen für den so genannten mittleren Schulabschluss auf dem Plan.

Aber nicht nur Prüfungsstress hält die Schüler in Atem: einige müssen auch gleichzeitig zu Auswahltests und Vorstellungsgesprächen für einen Ausbildungsplatz.

Gabriele Heuser hat sich an der Röntgenschule umgehört und war in der Sprechstunde der Berufsberaterin.

Gabriele Albrecht von der Arbeitsagentur Berlin Süd hat im Besprechungsraum der Schule ihren Laptop vor sich aufgebaut, Stapel von Informationsbroschüren und Formularen liegen daneben. Yunus aus der 10d hatte sich angemeldet. Der aufgeweckte Junge, der immer einen coolen Spruch auf Lager hat, will schon lange zur Polizei, ist dafür aber noch zu jung. Deshalb hat er sich jetzt ersteinmal um einen Ausbildungsplatz im Büromanagement beworben. Zwei Einstellungstests hat er gerade hinter sich.

Gabriele Albrecht: "Was hast Du denn als krass empfunden? Allgemeinwissen?"
Yunus: "Ja, diese Fragen fand ich zu krass."
Gabriele Albrecht: "Da bin ich jetzt so ein bisschen erstaunt ..."
Yunus: "Das waren auch jetzt weniger politische Fragen. Das waren mehr so Fragen: Zu welcher Zeit hat Karl Marx gelebt? Oder wie viele Saiten hat die moderne Gitarre? Oder da wurden mir Zeichen gegeben, wo ich wissen musste, ob das vom Griechischen kommt, Ägyptischen oder Römischen. Also da waren so Fragen mit dabei, wo ich mir eigentlich gedacht habe, das braucht man doch gar nicht für diesen Beruf speziell."

Die leidigen Einstellungstests

Immer mehr Firmen wählen ihre Auszubildenden über solche Einstellungstests aus. Und auf die müssen sich die Bewerber gut vorbereiten, das hat Yunus schon bei seinem ersten Test erfahren. Doch mit solchen Fragen hat er trotzdem nicht gerechnet, und jeder Test ist offenbar anders, erzählt er Gabriele Albrecht.

Yunus: "… dagegen war das Robert-Koch-Institut viel besser, weil man da eine Aufgabe hatte, bei der man im Organisationskomitee sitzt und beispielsweise eine Reise planen muss. Da musste man sein Vorgehen stichpunktartig notieren. Das waren schöne Aufgaben, an denen man erkennen konnte, wie jemand denkt. Aber ansonsten - beispielsweise bei Vattenfall - war viel Mathematik dabei, wovon ich wenig wusste - es ging da viel räumliches Denken."
Gabriele Albrecht: "Erzähl mal mehr von Vattenfall."
Yunus: "was mich da auch ein bisschen enttäuscht hat war, dass viele Informationen über den Arbeitgeber abgefragt wurden. Beim Robert-Koch-Institut war das nicht so."
Gabriele Albrecht: "aber wir hatten darüber gesprochen, dass Du Dich über die Arbeitgeber informieren sollst."
Yunus: "Das habe ich ja auch gemacht."
Gabriele Albrecht: "… das ist wahrscheinlich der Test, den alle machen. Gerade räumliches Denken oder so etwas spielt beim Kaufmann für Büromanagement nicht so eine große Rolle. Und zu den Fragen zum Allgemeinwissen hatte Dir ja noch die Orientierungshilfe nachgeschickt."

Frau Lehnen (li) und Chahira (re) - Foto: rbb Inforadio/Gabriele Heuser
Frau Lehnen und Chahira

"Es ist mühsam, aber es läuft ..."

Mit Überraschungen muss man bei Einstellungstests immer rechnen, sagt die Berufsberaterin, aber noch ist Hoffnung. Je länger es dauert, bis eine Absage kommt, umso größer die Chancen, dass es trotzdem doch noch geklappt hat. Nicht aufgeben, und gut vorbereitet in das nächste Bewerbungsgespräch gehen, ist ihr aufmunternder Ratschlag. Bei Schülern wie Yunus, die jetzt am Ball bleiben, glaubt Berufsberaterin Albrecht, gibt es sehr gute Aussichten, dass sie am Ende den gewünschten Ausbildungsplatz bekommen. Das versucht auch Klassenlehrerin Gabriela Lehnen ihren Schülerinnen und Schülern in der 10 d zu vermitteln.

Frau Lehnen: "Manche denken, jetzt habe ich schon ein Gespräch geführt, jetzt muss ich doch zunächst auf kein weiteres eingehen. Und das haben sie noch nicht ganz verstanden, dass es vielleicht auch 40, 50 Bewerbungsgespräche werden können, bevor sie einen Ausbildungsplatz bekommen. Na ja, es ist mühsam, aber es läuft, ist im Fluss, würde ich sagen."

Zumindest bei denen, die wissen, was sie wollen. Doch in der Klasse gibt es auch viele, die das noch überhaupt nicht sagen können. Die wollen lieber weiter auf eine Schule gehen. Ob das so sinnvoll ist? Da hat die Lehrerin ihre Zweifel.

Frau Lehnen: "Was ich davon halten soll, weiß ich nicht so richtig, weil ich manchmal denke, dass diejenigen, wo es scheint, dass sie die Schule auch weitermachen könnten - auch bis zum Abitur - die machen es nicht. Und andere, bei denen ich eher zögerlich bin, die sagen: 'ich mache es aber'. Da weiß ich manchmal nicht, ob es einfach die Angst davor ist, in einen Beruf zu gehen, oder auch der Ausdruck einer Unentschiedenheit (...)"

Chahira - Foto: rbb Inforadio/Gabriele Heuser
Chahira

"Die Jugendlichen müssen wollen ..."

Dabei hätte Berufsberaterin Gabriele Albrecht auch für die Unentschlossene noch eine Alternative, die in ihren Augen besser ist als einfach Zeit abzusitzen in einem Oberstufenzentrum. Bei einigen passen auch Berufswunsch und Schulleistungen noch nicht zusammen.

Gabriele Albrecht: "Auch damit müssen wir umgehen. Wir bieten ja auch als Agentur für Arbeit im Anschluss Projekte an, wie Berufsvorbereitung oder Einstiegsqualifizierung (...)."

Möglichkeiten gibt es viele, aber die Jugendlichen müssen wollen. Und da wünscht sie sich manchmal eine richtig coole Serie im Fernsehen, die mal in einer Lagerhalle spielt statt im Krankenhaus oder bei einer Gebäudereinigung. So dass die Berufe attraktiv würden, die die Schüler auch wirklich lernen könnten und wo es noch reichlich offene Stellen gibt. Für die, die immer noch zögern, sich zu bewerben, kommt der beste Anstoß und Motivation aber aus der Klasse, sagt die Beraterin von der Arbeitsagentur, wenn sie sehen, wir haben ja wirklich Chancen.

Gabriele Albrecht: "Für mich war hier der entscheidende Punkt, dass nach den Halbjahreszeugnissen verstärkt Schüler Ausbildungsstellen bekamen und das natürlich auch in der Klasse erzählt haben. Hier sind gerade große Firmen frühzeitig dabei, Zusagen zu verteilen - und das war ein ganz großer Ansporn."

Wie sich wenig später in der Berufsberatung herausstellt, ist Chahira eine, die es geschafft hat. Das zurückhaltende Mädchen mit dem Kopftuch und den guten Noten wollte eigentlich weiter zur Schule gehen, um dort Pharmazeutisch Technische Assistentin zu werden. Aber die Schulen waren teuer oder weit weg von Berlin, deshalb hat sie sich umentschieden. Jetzt will sie lieber eine duale Ausbildung machen als medizinische Fachangestellte, also das, was früher Arzthelferin hieß.

Chahira: "Ich hatte ein Bewerbungsgespräch im Gesundheitsamt, das lief auch ganz gut, aber dann meinten sie zu mir, ich müsse warten, weil es noch eine zweite Bewerbungsrunde gebe. Sie hatten 200 Bewerber, von denen sie 30 zum Vorstellungsgespräch ausgewählt hatten und von denen wiederum sie nur 7 übernehmen wollten. Danach saß ich in der U-Bahn, als ich von ihnen angerufen wurde und sie mir erzählten, dass sie sehr begeistert von mir waren und sie mich haben wollten."

Am liebsten wäre sie in die Luft gesprungen, als sie die Nachricht bekam, erzählt Chahira, aber das hat sie sich in der U-Bahn nicht getraut. Doch die Erleichterung ist ihr immer noch anzumerken.

Chahira: "Da freut man sich vom Herzen und ist sehr glücklich, und auch irgendwie innerlich beruhigt."

Ob es andere aus der 10d auch noch schaffen und wie die Prüfungen klappen, wir werden sehen! Fortsetzung folgt.