Nahaufnahme vom 01.02.2013 - Sekundarschüler im Betriebspraktikum

In der 9. Klasse steht für alle Berliner Schülerinnen und Schüler die erste Begegnung mit der Berufswelt auf dem Programm. Auch die Schüler der 9d der Röntgenschule, die wir seit Beginn der Sekundarschule begleiten, haben jetzt ihr Betriebspraktikum gemacht. Gabriele Heuser berichtet.

Mahmoud beim Verlegen von Fliesen im Praktikum

Mahmoud

im Blaumann und rotkariertem Flanellhemd, kniet vor einem Eimer und kratzt mit einem Spachtel die graue Masse zusammen. Seine Praktikumsfirma saniert gerade ein Bad in einem Altbau im angesagten Berliner Szenekiez Friedrichshain. Der begeisterte Breakdancer mit den sechs Schwestern werkelt ruhig vor sich hin. Schon ganz der Fachmann erklärt er mir, was er gerade macht.

Das Ergebnis kann sich sehen lassen, da ist auch sein Lehrer Detlef Bachmann ganz beeindruckt und lobt seine Arbeit. Trotz des Lobes weiß Mahmoud schon, dass Fliesenleger nicht sein Traumberuf sein wird. Die Arbeit sei ihm "zu anstrengend". Aber als Hobby könne er sich das Fliesenlegen vorstellen.

Ein Burger wird sorgfältig eingepackt [Heuser / rbb]
Al Hassan bereitet einen Burger zu

In der Systemgastronomie

Mahmoud hatte seine Wunschpraktikumsstelle bekommen. Bei seinem Klassenkameraden Al Hassan hat das dagegen nicht geklappt. Der schüchterne junge Mann mit den dunklen Kulleraugen wollte gerne in eine Autowerkstatt, doch ich treffe ihn in der Küche eines Schnellrestaurants. Hier werden Burger gebraten. Der junge Mann legt die tiefgefrorenen Hackfleischscheiben mit einer Zange oben auf die Förderwalze des Ofens, ein erfahrener Kollege erkärt ihm und einem anderen Praktikanten, wie es richtig geht, ein Wopper nach dem anderen. Al Hassan ist etwas enttäuscht, dass er nicht in der Autowerkstatt ist, freut sich aber, dass er überhaupt eine Praktikumsstelle bekommen hat - auch die Gastronomie ist okay.

Nach kurzer Zeit fällt das gebratene Stück Hackfleisch, in den Auffangbehälter und Al Hassan legt es in eine Auflaufform, in der es warm gehalten wird. Die Arbeit ist erstaunlich abwechslungsreich: Tomaten und Zwiebeln schneiden, Salat putzen gehört ebenso dazu wie die Soßen vorbereiten und die getoastete Brötchen richtig belegen. Dabei gibt es ja nicht nur Whopper, Cheeseburger oder Pommes, jedes Gericht hat ganz spezielle Zustaten, erklärt mir Al Hassan, da muss er sich eine ganze Menge merken: Die Zutaten und ihre Reihenfolge, die richtige Sauce.

Der 28-jährige Antonio arbeitet schon seit zwei Monaten hier und gibt den beiden Praktikanten Tipps - und lobt sie für ihr schnelle Auffassungsgabe und ihr selbständiges Arbeiten. Vom Prinzip her sei die Sache nicht so schwierig, allerdings müsse es sehr schnell gehen, sobald die Gäste bestellt haben. Er hat dem Chef bereits empfohlen, die beiden Schüler zu übernehmen: "Man sieht, dass ihnen die Arbeit Spaß macht, und ich denke, in einer Woche werden die noch viel besser sein als sie jetzt sind." Darüber freut sich Al Hassan sehr.

Das beruhigt auch seinen Lehrer Detlef Bachmann, der ihn an diesem Tag im Praktikum besucht. Das Berufsbild nennt sich "Fachkraft für Systemgastronomie". Die Karriere kann zwar am Tresen eines Schnellrestaurants beginnen, aber es bestehen sehr gute Aufstiegsmöglichkeiten. Doch ob das was für ihn ist, weiß Al Hassan noch nicht - so geht es den meisten seiner Klassenkameraden nach dem ersten Berufspraktikum.

Nachbesprechung Schulpraktikum [rbb / Heuser]
Nachbesprechung des Schulpraktikums

In Apotheke und Krankenhaus

Lediglich Chahira scheint ihren Traumberuf gefunden zu haben, obwohl das Praktikum selbst ihr gar nicht gut gefallen hat. Das stille Mädchen mit dem Kopftuch, fühlte sich unterfordert in ihrer Apotheke, sagt sie mir als sie wieder in der Schule ist und das Praktikum auswertet.

Das Tätigkeitsfeld einer Pharmazeutisch-Technischen Assistentin hat ihr gefallen: die Beratung der Kunden, die Herstellung von Salben, Kapseln und Gels zum Beispiel. Doch im Praktikum konnte sie nichts davon machen, die meiste Zeit stand sie herum und konnte nur zusehen.

So wie Chahira ging es mehreren aus der 9b, berichtet Klassenlehrerin Gabriela Lehnen. Der Schüler Orkan zum Beispiel, habe einen Platz in einer Druckerei gefunden, allerdings habe sich dort niemand um ihn gekümmert. Er durfte nur neben den Maschinen stehen und zuschauen, und wurde sogar zum Schnee schippen nach draußen geschickt. Das wollte es so nicht weitermachen. "Aber innerhalb von drei Stunden hatte er sich einen neuen Praktikumsplatz organisiert", sagt Gabriela Lehnen anerkennend, und war dann glücklich in einem Kinderladen.

Auch Esma, die vom Gymnasium in die Klasse kam und Chirurgin werden möchte, hatte mehr erwartet von ihrem Praktikum im Urbankrankenhaus. Gelernt hat sie trotzdem etwas, findet sie. Sie konnte zwar nicht in den OP-Saal, habe aber beim Essenverteilen geholfen und konnte für türkische Patienten übersetzen. "Es war interessant, aber ich glaube, es ist nicht so mein Ding", lautet Esmas Fazit. Sie möchte weniger in die Pflegerichtung gehen - was sie gut könnte: lieber würde sie wirklich selbst operieren.

Eine Runde der Schülerpraktikanten bei der Nachbesprechung [rbb / Heuser]
Schülerpraktikantin bei der Nachbesprechung

Mit großem Einsatz

Als großen Erfolg sehen die Lehrer, dass alle ihr Praktikum zu Ende gebracht und durchweg gute Beurteilungen bekommen haben. Kein Vergleich zu ihren früheren Erfahrungen in der Hauptschule, sagt Gabriela Lehnen. Da gebe es einen sehr großen Unterschied, denn viele Hauptschüler hätten das Praktikum damals sehr schnell abgebrochen, ohne sich um etwas anderes zu kümmern. Verglichen damit sei das Praktikum jetzt in der Sekundarschule in allen vier Klassen "super gelaufen".

Nun gibt es erst einmal Halbjahreszeugnisse und die Winterferien. Und dann, nach Ostern, wird es wieder spannend, dann stehen zum ersten Mal die zentralen Prüfungen zur Berufsbildungsreife auf dem Programm der Neintklässler. In Zukunft ersetzt die den einfachen Hauptschulabschluss. Fortsetzung folgt.

Ein Beitrag von Gabriele Heuser