Nahaufnahme vom 29.11.2012 - Sekundarschule - Vorbereitungen auf den Beruf

Am Ende der Schulzeit steht für alle die Frage: welcher Beruf soll es denn werden? Damit die Wahl nicht zur Qual wird, soll ein Betriebspraktikum in der 9. Klasse einen Eindruck vermitteln, wie es in der Arbeitswelt zugeht. Auch die 9d der Röntgenschule in Neukölln bereitet sich jetzt darauf vor.

Seit der siebten Klasse begleiten wir die Schülerinnen und Schüler der Röntgenschule mit ihren Klassenlehrern Frau Lehnen und Herrn Bachmann durch den Alltag in der Sekundarschule. Sie gehören zum ersten Jahrgang, der die Sekundarschule besucht.

Inzwischen ist unsere Klasse die 9d, 14-jährige Jugendliche, die voll in der Pubertät stecken und nun die ersten Erfahrungen machen sollen mit dem Berufsleben. Inforadio-Reporterin Gabriele Heuser hat sie wieder einmal besucht und nachgefragt, wie sie sich jetzt auf das Betriebspraktikum vorbereiten.

Für Klassenlehrerin Gabriela Lehnen ist es nicht die erste Schulstunde, die sie diesem Thema widmet, aber die Zeit läuft. Mitte Januar ist es soweit. Bis dahin müssen nicht nur alle einen Praktikumsplatz gefunden haben, sondern sie müssen auch wissen, wie sie sich in der Berufswelt richtig verhalten. An diesem Morgen ist das das Thema im Unterricht: Wie wird mein Praktikum ein Flop? schreibt die Lehrerin mit schwarzem Stift in die Mitte des Whiteboards. Jetzt, im November, hat erst etwas mehr als die Hälfte der Klasse eine feste Zusage, erzählt mir Gabriela Lehnen.

Gabriela Lehnen

"Einige haben Bewerbungen geschrieben und sind sehr enttäuscht, weil sie nicht sofort Bescheid bekommen haben. Aber das läuft alles noch. Ungefähr vier oder fünf Schüler haben sich nicht richtig oder wenig gekümmert - da muss man noch ein bisschen Druck machen."

Für Mahmoud, den Breakdancer mit den vielen Schwestern, ist die Sache längst klar: er hat einen Praktikumsplatz sicher, nicht zuletzt weil er dabei die Ünterstützung des Lokalen Beruflichen Orientierungswerks, dem LBO, hatte. Wie anderen aus der Klasse auch hilft ihm dort ein persönlicher Mentor.

Mahmoud

"Ich habe einen Praktikumsplatz als Fliesen- und Plattenleger. Ich war ja beim LBO, und da haben die ungefähr zwei Stunden lang gesucht und mit ungefähr 20 Betrieben telefoniert. Die meisten waren zu weit weg oder nehmen prinzipiell keine Schüler-Praktikanten. Aber dann sind wir auf Unterlagen gestoßen, wo ein Schüler auch ein Praktikum als Fliesen- und Plattenleger hatte, haben dort angerufen, und am nächsten Tag habe ich dort dann meine Bewerbung abgegeben."

Drei seiner Klassenkameraden, die sich für Naturwissenschaften interessieren, gehen in ein Labor zum Praktikum, einer hat sich bei einem Orthopäden beworben. Auch bei Esma, die nach dem Probehalbjahr vom Gymnasium in die Klasse kam, war es gar nicht so schwer. Sie wird in die chirurgische Abteilung im Vivantes Klinikum Am Urban gehen:

Esma

"Ich habe dort nach einem Praktikumsplatz gefragt, habe meine Bewerbungen abgegeben und bin dann angenommen worden (…)"

Wenn die Realtiät im Praktikum der Wunschvorstellung vom Traumberuf standhält, dann kann sich auch Orkan vorstellen, in dem ausgesuchten Berufsfeld später zu bleiben, obwohl er noch nicht ganz entschieden ist, ob er lieber Koch oder Graphik-Designer werden möchte. Er hofft, dass sein Praktikum in einem Graphik-Betrieb in Kreuzberg ihm bei der Entscheidung hilft, sagt er. Und seine Mutter, die ich in der Schulcafeteria treffe, berichtet mir, wie froh sie ist, dass er einen Platz gefunden hat, aber es war ein Stück Arbeit auch für sie, bis es soweit war.

Solche Unterstützung von zu Hause, aber auch von der Schule brauchen die Schülerinnen und Schüler der 9d. Denn gerade bei der Suche nach einem Praktikumsplatz wird bei den inzwischen 14 jährigen der frühere Unterschied wieder sichtbar, sagt Klassenlehrerin Lehnen: diejenigen, die mit einer Realschulempfehlung in die Sekundarschule gekommen sind, liegen hier deutlich vorn.

Gabriela Lehnen

"Die sind da ganz anders rangegangen. Die sind los und haben unterwegs gefragt. Oder wir hatten das Berufe-Fest im Guttempler Haus – da sind die zu den Firmen gegangen und haben direkt gefragt, wie es um die Möglichkeiten eines Praktikums steht. Da ist einfach der Wille und der Antrieb da und auch keine Scheu."

Doch mit ihrer Hilfe haben es auch schon manche der anderen geschafft. Rosa zum Beispiel, ist sehr glücklich. Sie wird ihr Praktikum in einem Jugendfreizeitheim machen, dank der Vorarbeit ihrer Lehrerin, berichtet sie stolz:

Rosa

"Frau Lehnen kannte den Mann dort, und sie hatte ihn angerufen und gefragt, ob es einen Praktikumsplatz gibt. Dann habe ich mich dort vorgestellt und dann habe ich sofort den Vertrag unterschrieben. Da hatte ich Glück, denn viele aus der Klasse haben auch Absagen erhalten. Es ist auch der Beruf, den ich später mal machen möchte."

Ein solches Erfolgserlebnis könnte auch al Hassan gut gebrauchen.

Al Hassan

"Ich habe leider noch keine Praktikumsplatz, such aber noch eifrig (…). Ich habe auch ziemlich Angst vor Absagen."

Angst vor dem Versagen, Angst davor abgelehnt zu werden, das lähmt ihn, obwohl auch er einen persönlichen Mentor hat, der ihm bei der Suche hilft. Für Gabriela Lehnen ist das ein allzu bekanntes Verhaltensmuster:

Gabriela Lehnen

"Ich kenne das aus der Hauptschule, dass viele Schüler mangels Selbstbewusstsein nicht an die Betriebe herantreten. Es liegt nicht daran, dass sie nicht in den Gelben Seiten oder dem Internet recherchieren können, aber dieser Schritt hinzugehen oder zu telefonieren – der ist zu groß. Sie schaffen es nicht trotz Trainings. Sie brauchen da ganz viel Unterstützung – aber das habe ich erst gar nicht so durchschaut."

Viele Firmen sind aber einfach auch nicht mehr bereit, Schülerpraktikanten zu nehmen, ergänzt Gabriela Lehnen. Selbst Betriebe, die sie seit Jahren kennt, winken ab, sagt sie, die Plätze im Einzugsgebiet der Schule werden rar. Schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit haben dazu ihren Teil beigetragen, weiß die Lehrerin nur allzu gut.

Gabriela Lehnen

"Da waren leider viele Früh-Abbrecher oder zu viel Unpünktlichkeit und Unzuverlässigkeit – und aus diesen Erfahrungen heraus wollen einige Firmen keine Praktikanten mehr."

Doch damit die Jugendlichen in Zukunft einen besseren Eindruck auf potentielle Arbeitgeber machen, beugt die Klassenlehrerin inzwischen vor. Im Rollenspiel sollen die Schüler typische Situationen selbst erleben, durch die das Praktikum zum Flop werden könnte. Was passiert, wenn der Praktikant zu spät kommt, wird da gespielt und " Wie verhalte ich mich, wenn im Praktikum etwas kaputt geht" oder - wie bei Yunnus und al Hassan, wenn der Chef etwas verlangt, was ein Schüler noch gar nicht darf.

Trotz der Schwierigkeiten ist Gabriela Lehnen zuversichtlich, dass am Ende alle einen Praktikumsplatz finden und dass der erste Kontakt mit der Arbeitswelt im Januar neue Erkenntnisse bringt. Welche, das werden wir sehen. Fortsetzung folgt.