- Foto: rbb Inforadio/Gabriele Heuser

Nahaufnahme vom 19.04.2013 - Sekundarschule - Berufsbildungsreife-Prüfungen

In dieser Woche haben in Berlin zum ersten Mal alle Neunt-Klässler Prüfungsklausuren geschrieben, um die Berufsbildungsreife zu erlangen - auch die Schüler der 9d der Röntgenschule in Neukölln.

Zum ersten Mal haben in dieser Woche in Berlin nicht nur die Schülerinnen und Schüler der 10. Klasse die Prüfungklausuren zum mittleren Schulabschluss geschrieben, sondern auch alle 9. Klässler, um die Berufsbildungsreife zu erlangen, den früheren Hauptschulabschluss. So mussten auch die Schüler der 9 d der Röntgenschule in Neukölln, die wir seit Beginn der Sekundarschule begleiten, eine Prüfung in Deutsch und Mathematik ablegen.

Gabriele Heuser war wieder einmal dabei und hat am ersten Prüfungstag nachgefragt, wie gut alles geklappt hat.

Auf den letzten Drücker ...

Große Aufregung im Lehrer- Kollegium. Obwohl alle schon an Prüfungen teilgenommen haben, ist diesmal doch vieles anders: Das Verfahren ist neu, die Aufgaben sind unbekannt und plötztlich müssen viel mehr Schüler zeitgleich bei einer Prüfung beaufsichtigt werden. Das muss alles organisiert werden und jeder Lehrer will genau wissen, was erlaubt ist und was verboten.

Auf den letzten Drücker muss noch improvisiert werden. Im Raum nebenan kopiert Schulleiter Detlef Pawollek hektisch die Prüfungsaufgaben. Ab 7 Uhr war er zur Stelle, um sie entgegenzunehmen, sie auf die einzelnen Gruppen zu verteilen und dann pünktlich um 9 Uhr das versammelte Lehrerkollegium mit letzten Informationen zu versorgen, bevor eine Stunde später dann die Prüfung beginnt. Doch es lief längst nicht alles nach Plan, erzählt er später - immer noch ein wenig fassungslos, wie ein solcher Routinevorgang auch ein gestandenes Lehrerkollegium in helle Aufregung versetzten kann.

Detlef Pawollek

"Die Arbeiten wurden erst 10 nach 9 geliefert. Da entstand dann natürlich der entsprechende Stau, und die Anzahl der Arbeiten für die Berufsbildungsreife reichte nicht aus, deshalb mussten wir noch mal schnell den Drucker anschmeißen, und die Kollegen waren dann schon etwas ungehalten und wollten zeitgleich noch eínmal über das allgemeine Verfahren informiert werden, und das war dann der Moment, wo sich bei mir eine gewisse Spannung aufbaute und ich mich sehr zusammennehmen musste, um immer noch freundlich darauf hinzuweisen, dass sich das ganze Verfahren ein wenig verzögert."

- Foto: rbb Inforadio/Gabriele Heuser
Ein Beispiel einer Deutsch-Aufgabenstellung

Ergebnis der Probeprüfungen: beruhigend

Gabriela Lehnen, die Klassenlehrerin der 9 d hat die Prüfungsaufgaben schließlich in der Hand, aber kaum noch Zeit, sie sich genauer anzusehen. "Vergleichende Arbeit 2013 im Fach Deutsch" steht auf dem grünen Deckblatt. Die Lehrerin hofft, dass die Aufgaben etwa denen entsprechen, die sie mit der Klasse schon einmal durchgespielt hat, erklärt sie mir. Genau wissen kann sie es nicht, denn diese Prüfungsaufgaben sind ja neu und auch sie musste improvisieren.

Gabriela Lehnen

"Wir wurden ja nicht wirklich vorbereitet - wir haben uns dann selbst gekümmert um die Vergleichsarbeiten vom letzten Jahr und haben diese dann mit den Schülern durchgearbeitet, damit die schon einmal einen Vorgeschmack bekommen."

Und so hat sie eine Woche vorher schon einmal eine Probe-Prüfung schreiben lassen unter den gleichen Bedingungen wie jetzt im Ernstfall. Das Ergebnis da war eigentlich sehr beruhigend, sagt Gabriela Lehnen: "Da sind in meiner Klasse - bis auf einen Schüler, der einfach unleserlich geschrieben hat - alle gut bis sehr gut durchgekommen. Das Angstfach ist Mathe (...)"

Selbst Chahira, das schüchterne Mädchen mit dem Kopftuch, ist sehr nervös vor der ersten Prüfung: " (...) ich habe ein bisschen Angst, dass ich nicht bestehe, obwohl ich eigentlich eine gute Schülerin bin (...)."

Eigentlich war es nicht so schwer ... wäre da nicht Mathe

Und dann geht zumindest alles ganz schnell: 100 Minuten Prüfung sind vorbei wie im Flug. Die gemeinsame Angst hat sie zusammengeschweißt, berichtet Chagla nachher: "Heute morgen hatte ich noch total Angst, weil die Prüfung ja auch ein Schritt in unsere Zukunft ist (...) Aber die Prüfung war dann relativ einfach (...)."

Erleichtert, aber immer noch aufgeregt fragt Yunnus nach der Prüfung Chagla und Blendona was sie denn geschrieben haben, als Klassenlehrein Lehnen auf die Gruppe trifft: "(...) ja, aber der Ball ist hier doch inklusive, da muss man ihn nicht leihen (...), und das hier hinten war richtig (...)."

Die drei Neuntklässler sind sich einig: eigentlich war es nicht so schwer, aber - Yunnus: "... man darf es nicht unterschätzen: Ich bin mit einem guten Gefühl reingegangen und mit einem guten Gefühl rausgekommen. Es gab aber auch ein paar Stellen, wo man zweimal über die Antwort nachgedacht hat (...)"

Der erste Prüfungsteil ist nun abgehakt. In zwei Tagen geht es weiter mit der Matheklausur. Davor zittern sie nun erst recht, und das kann Klassenlehrer Bachmann gut nachvollziehen: "Ich habe Verständnis dafür, dass sie Angst vor der Mathe-Arbeit haben, weil sie meinem Eindruck nach in der Vergangenheit zu wenig für sich selber getan haben."

In der Prüfung wird jetzt nämlich nicht nur der Stoff der 9. Klasse abgefragt, sondern viel mehr, sagt Detlef Bachmann. Er hat zwar versucht, alle auf die Anforderungen der Berufsbildungsreife Prüfung vorzubereiten, aber bei manchen sind die Lücken doch beträchtlich, fürchtet er: "Wir haben einige Stunden extra gemacht, wo wir Prüfungsaufgaben aus anderen Bundesländern und aus Berlin vom vorigen Jahr probegerechnet haben (...) und mehr konnten wir von seiten der Schule nicht tun."

So hat nicht nur Blendona ein mulmiges Gefühl: Bis sie und die anderen in der 9d wissen, ob sie die Berufsbildungsreife- Prüfung trotz allem geschafft haben, müssen sie noch ein paar bange Tage überstehen. Ob es am Ende für alle gereicht hat, werden wir sehen. Fortsetzung folgt.