Die Matheprüfung läuft und am Prüfungsraum hängt ein Schild "Prüfung! Bitte nicht stören" (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)

Nahaufnahme vom 23.05.2014 - Matheprüfung in der 10d

Die Schüler der 10d der Neuköllner Röntgenschule stecken in den Abschlussprüfungen. Jetzt ist die Matheprüfung dran. Inforadio begleitet seit 2010 den ersten Jahrgang der neu eingeführten Sekundarschule.

Die Schüler der 10d der Röntgenschule in Neukölln stecken mitten in den Abschlussprüfungen. Jetzt ist die Matheprüfung dran. Inforadio begleitet den ersten Jahrung der 2010 neu eingeführten Sekundarschule. Eine Nahaufnahme von Gabriele Heuser.

Inzwischen steht dieser erste Jahrgang kurz vor dem Abschluss. Einige in der 10d werden die Schule mit dem Mittleren Schulabschluss (MSA) beenden, andere mit der Erweiterten Berufsbildungsreife (EBBR), das was früher der Qualifizierte Hauptschulabschluss war. Welcher Abschluss es am Ende wird, darüber entscheiden auch die Prüfungen, die die Zehntklässler in diesen Wochen ablegen. Die mündliche Prüfung in der ersten Fremdsprache steht noch aus, aber die schriftlichen Klausuren in Deutsch, Mathe und Englisch sind vorbei. Gabriele Heuser hat sich an den Prüfungstagen umgehört, wie die Schüler im Prüfungsstress klargekommen sind.

Schülerin kurz vor der Matheprüfung (Bild: rbb-Inforadio)
Rosa bei Matheprüfung

Am schlimmsten ist Mathe, darin sind sich sofort alle einig. Selbst die ansonsten guten Schülerinnen und Schüler unserer 10d gehen nicht gerade zuversichtlich in die Prüfung.

"Was ich zu Mathe sage? Es ist schwer, ich habe extrem Angst, dass ich das nicht schaffe", meint eine Schülerin.

"Ich muss ehrlich sagen, ich habe Bedenken, dass ich da durchfallen kann. Die Angst vor einer sechs ist sehr groß bei mir, gerade bei Mathe", ein Schüler.

"Man muss die ganze Zeit dran denken, welche Note bekomme ich jetzt und das heißt, dass man auch die ganze Zeit dran denken muss, würde ich hier in Mathe eine fünf schreiben, würde ich duchfallen. Das zieht einen nochmal ein bisschen runter", sagt eine weitere Schülerin.

Alle Handys müssen vor Beginn der Prüfung abgegeben werden. (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)
Handys müssen abgegeben werden

Doch es hilft nichts, um 9 Uhr 45 geht es los:

"Kommt bitte alle rein. Wir fangen an. Bitte alle Handys hier nach vorne. Wer hat noch kein Formelblatt?", fragt der Mathelehrer.

An Einzeltischen haben 16 Prüflinge Platz genommen, vor sich die erlaubten Arbeitsmaterialien: Stifte, Lineal, Zirkel, einen Taschenrechner und mit Namen und Schulstempel gekennzeichnetes Schmierpapier. Alles genau nach Vorschrift, die der Klassenlehrer einer anderen 10. als Aufsicht noch einmal vorliest. Und dann wird es richtig ernst.

"Ich gebe jetzt die Arbeiten aus. Ich möchte, dass absolute Funkstille herrscht ab jetzt", sagt Mathelehrer Bachmann. Er drückt die Klingel und sagt: "Die Prüfung beginnt jetzt."

Die Prüfungsaufgaben der Matheprüfung und die Formelsammlung (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)
Die Prüfungsaufgaben mussten kurzfristig ausgetauscht werden

Prüfungsaufgaben wurden in Brandenburg gestohlen

Schlagartig ist alles mucksmäuschenstill im Raum. Die Aufregung verwandelt sich in Konzentration. Verdrängt die Portion Extra Schock darüber, dass nun eine Ersatzklausur geschrieben wird. Denn die ursprünglich geplanten Prüfungsaufgaben waren am Wochenende in einer Brandenburger Schule gestohlen worden. Und weil alle Berliner und Brandenburger Schulen die gleichen Prüfungsaufgaben verwenden, mussten sie ersetzt werden, erzählt mir der zuständige Organisator an der Röntgenschule, der Mathematiklehrer Mathias Behr.

"Über email haben wir mitgeteilt bekommen, dass die MSA-Arbeiten ungültig sind und neue gedruckt werden und dass wir sie heute morgen abholen bzw. ausdrucken konnten", so Mathelehrer Behr. Aber dann lief doch noch nicht alles glatt. "In einer zweiten email wurden wir informiert, dass eine Aufgabe nicht korrekt gestellt war und wir die Schüler daraufhinweisen sollten, dass eine bestimmte Lösungsmöglichkeit nicht verwendet werden soll."

Diese Information erreicht die Schulen erst während die Klausur schon läuft. Da es sich um die zweite Aufgabe handelt, ist Eile geboten. Erneut kommt der Organisator ins Schwitzen. Ihn ärgert, dass er von Prüfungsraum zu Prüfungsraum hetzten und dort die Schüler stören muss:

Mathelehrer Behr: "Die Schüler mussten nun sehen, ob sie die Aufgabe schon gelöst hatten, oder ob sie die noch einmal anders lösen müssen. Es gab zwei Schüler, die sich beschwert haben, dass sie das nicht vorher wussten, aber ansonsten gab es keine weitere Äußerungen."

Mahmoud und Rosa (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)
Mahmoud und Rosa

Zwei Stunden dauert die Prüfung

Zu denen gehört auch Schulsprecher Mahmoud aus der 10 d. Er kommt als erster aus der Prüfung. Nach noch nicht einmal der Hälfte der vorgesehenen Zeit gibt er seine Lösungen schon ab.

Es war eigentlich schon schwer, aber er hat es ganz locker geschafft. Von allem hat er 70 Prozent gemacht, die übrigen 30 Prozent waren zu schwer, aber für die EBBR (Erweiterte Berufsbildungsreife) muss es reichen, hofft er.

Mahmoud hat nur die Aufgaben ohne Sternchen gelöst, die für die Erweiterte Berufs - Bildungsreife.

Immer wieder geht nach zwei Stunden die Tür des Prüfungsraums auf. Rosa wirkt erleichtert.

Am Anfang dachte sie wirklich es wird schwer, aber als sie die Aufgaben dann vor sich hatte, ging es ganz einfach, sagt sie. Natürlich waren auch ein paar schwierige Aufgaben dabei, aber ein paar davon müsste sie schon geschafft haben.

Ganz zum Schluss erst kommen die aus der Prüfung, die alles genau nehmen und ehrgeizig sind: Yunus und Blendona, schließlich auch Orkan.

"Es war so schwer", findet Blendona und Orkan fragt, wie sie die Aufgabe mit dem Trapez gelöst hätten. Yunus sagt, gar nicht, die habe er sofort übersprungen, aber Orkan hat sich 20 Minuten lang die Zähne daran ausgebissen: kein Winkel, nur zwei Seiten, da hat er überlegt, es kommt ein Quadrat raus… ob das richtig war? Aber jetzt will er lieber gar nicht mehr darüber reden.

Prüfungsergebnisse erst in einem Monat

Schnell vergessen, denn ändern können sie jetzt ja doch nichts mehr. Und bis sie die Noten erfahren, dauert es noch Wochen. Gerade das macht Chahira sehr zu schaffen, obwohl das zurückhaltende Mädchen mit dem Kopftuch ja neben Mahmoud eine der wenigen ist, die schon einen Ausbildungsvertrag in der Tasche hat.

Chahira muss die ganze Zeit an die Prüfung denken und fragt sich, welche Note sie wohl geschafft hat. Einen Monat auf das Ergebnis warten ist sehr lange… schrecklich, wenn man wissen möchte, ob man durch ist, oder durchgefallen ist, findet sie.

Klassenlehrerin Lehnen in der 10d (Bild: G. Heuser, rbb-Inforadio)
Klassenlehrerin Lehnen muss manchmal trösten

Die Nerven liegen blank

Die Prüfungsphase geht auch an Klassenlehrerin Gabriela Lehnen nicht spurlos vorbei. Sie erlebt die Dramen hautnah mit. Vor der Deutscharbeit waren alle mächtig aufgeregt, erzählt sie. Einige Schülerinnen kamen mit Tränen in den Augen in ihr Büro. Da lagen die Nerven wohl blank. Die Lehrerin hat versucht, sie aufzubauen, und als sie dann aus der Prüfung wieder raus kamen, sagten sie, es war doch nicht so schlimm.

Insgesamt - so glaubt die Lehrerin - ist ihre Klasse doch gut vorbereitet in die Prüfungen gegangen. Schon seit Beginn des Schuljahres gab es am Mittwoch immer zwei Stunden, in denen Prüfungsstoff wiederholt wurde und auch sonst Möglichkeiten genug zum Üben, meint sie.

"Wir haben ein Klassennetz über Facebook, dort konnten die Schüler Matheaufgaben zum Üben finden, und auch die Lösungen. Da haben sich die Schüler ganz gut gegenseitig unterstützt. Aber trotzdem gibt es immer welche, die vor der Prüfung Angst haben und davor, sie nicht bewältigen zu können", so die Klassenhlehrerin.

Doppelter Stress durch Prüfungen und Bewerbungen

Dabei sind die Prüfungen zur Zeit nicht der einzige Stress. Bei einigen aus der 10d laufen parallel die Bewerbungen. Yunus zum Beispiel, der nach einem Ausbildungsplatz im Büromanagement sucht, trifft es manchmal hart.

Nach der Englischprüfung am Donnerstag muss er gleich zum Einstellungstest. Das ist ganz schön heftig, weil er dann beides im Auge behalten muss. Es ist ihm auch schon passiert, dass er nach einer Mathearbeit direkt im Anschluss zu einem Vorstellungsgespräch gehen musste.

Wenn die Prüfung bestanden ist, zählt für ihn nur noch eines, sagt Yunus. Ein paar Mitschüler haben ja schon einen Ausbildungsvertrag. Auch er hat die Hoffnung noch nicht aufgegeben. Noch stehen ihm viele Türen offen und er wartet jetzt ganz heiß auf einen positiven Bescheid.

Wie Prüfung und Jobsuche ausgehen, das wissen alle erst am Schluss. Einmal werden wir noch sehen. Fortsetzung folgt.