#dasbrauchtdeutschland - sechs Menschen - Ali Kamburoglu beschäftigt sich mit Außenpolitik

In Berlin-Moabit hat Inforadio-Reporter Oliver Soos den 58-jährigen Feinkosthändler Ali Kamburoglu kennen gelernt. Er hat einen deutschen und einen türkischen Pass und findet: Die Bundesregierung müsse kritischer gegenüber der Türkei sein - Erdogan könne sich zu viel erlauben.

Ali Kamburoglus kleiner Lebensmittelladen "Merhaba Discount" ist Kult. Es gibt ihn schon seit 30 Jahren, im Kneipenkiez am U-Bahnhof Birkenstraße. Jeder, der ihn betritt, wird sofort in ein Gespräch verwickelt und dazu gibt es auch schon mal eine Tasse Kaffee. Ali ist mit allen Kunden per Du, erzählt er: "Wenn die Leute zu uns kommen, dann nicht nur zum Einkaufen. Ich rede mit allen, besonders mit den Studenten. Und besonders über Politik."

Am liebsten über Außenpolitik. Ali ärgert zum Beispiel der Umgang der Bundeskanzlerin mit dem türkischen Präsidenten Erdogan. "Die Türkei erlaubt sich alles Mögliche, aber Merkel tut gar nichts. Bei den anderen, wenn es zum Beispiel um Russland geht, agiert Merkel ganz anders."

So kritisch, wie gegenüber Russland, sollte Merkel auch gegenüber der Türkei sein findet Ali. Ihn stört auch die Haltung der Bundesregierung im Syrien-Konflikt. Für Ali war es ein Fehler, dass der Westen die Gegner des syrischen Präsidenten Assad mit Waffen aufgerüstet hat. Das habe das Chaos in dem zuvor funktionierenden Land befördert.

Hintergrund

- Moabit ist Multikulti

Moabit liegt mittendrin in Berlin - der Ortsteil gehört ja auch zum Bezirk Mitte. Schon x-mal wurde Moabit seit der Wende als neuer Trendbezirk vorhergesagt - eingetreten ist das noch nicht. Aber es hat sich schon viel geändert in den letzten Jahren. Mehr Bars und Cafés und damit auch steigende Wohnungspreise. Und noch etwas wächst: der Anteil der Bevölkerung mit Migrationshintergrund - er liegt jetzt bei fast 50 Prozent.

Ali Kamburoglu ist Alawit, wie die Assad-Famile. Er hat syrische Wurzeln und ist im Süden der Türkei aufgewachsen, in Antakya. 1979 kam er nach Berlin, um BWL zu studieren. 1987 übernahm er dann den Laden von zwei Freunden.

Ali hat sich schon immer für Politik interessiert. An der deutschen Innenpolitik hat er aber deutlich weniger auszusetzen, als an der Außenpolitik. Die Demokratie funktioniere in Deutschland schließlich viel besser als in der Türkei.

Allerdings müsse die deutsche Gesellschaft jetzt standhaft sein, gegen die Stimmung, die die AfD verbreitet. "Die AfD ist zwar stark, aber nicht stark genug, dass sie hier an die Macht kommt. Manche unserer Kunden sagen zu mir: 'Ali, es sind so viele Ausländer hier, das ist schon zu viel für Deutschland. Du bist natürlich etwas Anderes, du bist keiner von denen. Und ich sage denen immer: 'Ja, weil ihr mich kennt. Und wenn ihr die anderen auch mal kennenlernt, werdet ihr eure Meinung auch ändern.'"

Dass Ali ein politischer Mensch ist, zeigt sich nicht nur im persönlichen Gespräch. Er hat sich auch politisch engagiert. 2006 ließ sich Ali für das Berliner Abgeordnetenhaus aufstellen und 2009 für den Bundestag - als unabhängiger Kandidat. "Wenn ich Feierabend hatte, habe ich mit meiner Frau selbst Plakate aufgehängt und meinen Wahlkampf hier im Laden gemacht."

Im Wahlbezirk rund um den Laden holte Ali das zweitbeste Ergebnis, erzählt er stolz. Nur der SPD-Kandidat war stärker. Für eine politische Karriere hat es zwar nicht gereicht. Ihm sei es aber vor allem darum gegangen, ein Zeichen zu setzen. Zu zeigen, dass jeder etwas erreichen kann, wenn er sich engagiert.

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