#dasbrauchtdeutschland - sechs Menschen - Delia Fröhlich findet Politik häufig zu kompliziert

Eigentlich ist Delia Fröhlich aus Oberschöneweide mal zum Studieren nach Berlin gekommen. Inzwischen betreibt sie im alten Industriekiez ein eigenes Café mit Coworking-Space."Politik ist zu abstrakt, zu unverständlich. Ich werde nicht mitgenommen", hat sie Inforadio-Reporter Martin Adam erzählt.

Delia Fröhlich ist im Dienst. Die Kaffeemaschine zur Rechten, den Laptop für die Büroarbeit zur Linken, die junge Frau mit den dunklen Locken in der Mitte. Nur Kunden sind noch keine in ihrem Café, dem "Bett". Zeit für Kaffee und ein Gespräch über Politik.

Delia arbeitet hier nicht nur, sie wohnt auch in dem kleinen Häuschen im Hinterhof - mit ihrem Freund und dem zweijährigem Sohn. Mit 28 ist sie junge Unternehmerin und junge Mutter. Und für beides bräuchte sie Unterstützung: "Ich habe im achten Monat meinen Bachelor gemacht, hatte die Prüfung und war dann erstmal in der Mama-Pause. Das heißt, ich konnte nicht mal arbeitslos gemeldet werden. Ohne meine Eltern hätte ich ganz schön dumm ausgesehen. Da wird man nicht aufgefangen, da wird man nicht freundlich beraten."

Hintergrund

- Oberschöneweide in der Zwischenzeit

Oberschöneweide ist einer von 15 Ortsteilen in Treptow-Köpenick - dem südlichsten und östlichsten Berliner Bezirk. Ein Ortsteil mit bewegter Vergangenheit, denn die AEG machte Oberschöneweide zu einem wichtigen Fabrikquartier in Deutschland. Und ein Ortsteil mit hoffnungsvoller Zukunft, denn Oberschöneweide ist immer beliebter bei jungen Neu-Berlinern und Studierenden: Oberschöneweide im Wandel.

Nur mit Mühe gelingt der Spagat zwischen Familie und ihrem Unternehmen: "das Bett" hat sie mit Freunden noch im Studium gegründet - ein Coworking-Space in einer alten Brauerei. Man kann hier Arbeitsplätze mieten, den ehemaligen Kesselraum für Veranstaltungen nutzen, seit Kurzem auch Kaffee trinken. "Und jetzt so langsam würde ich sagen, dass wir auf den Weg dahin sind, dass "das Bett" zu einem 'Ort der Begegnung' wird. Das klingt pathetisch - aber das ist es schon auch, ja."

Ein Ort, der für die Nachbarschaft wichtig sei, sagt Delia. Denn Politik beginne, wenn Menschen miteinander ins Gespräch kommen. Aber auch "das Bett" müssen Delia und ihre Freunde ohne Förderung stemmen. Hilfe, findet Delia, bekommen in Deutschland vor allem ältere Menschen. Die Jungen seien für die Parteien nur im Wahlkampf interessant: "Ich habe das Gefühl, die versuchen immer alle super jung daherzukommen und hippe Werbekampagnen zu machen, um auch mal die jungen Leute zu kriegen. Aber eigentlich, so von dem ganzen Aufreten her, erzählen die Älteren den Jüngeren etwas. Und das hat eigentlich nie gut funktioniert, glaube ich."

Politik bleibt oft abstrakt

Politik ist für Delia vor allem intransparent, oft unverständlich - manchmal, weil ihr Wissen über das politische System fehlt, manchmal, weil sie zwischen all den Aufgaben einfach keine Zeit findet. Ob das für sie okay ist? Nein, das sei ihr unangenehm: "Es ist so super abstrakt. Keine Ahnung, was das jetzt konkret bedeutet. Das ist wie so eine Käseglocke irgendwie - und ich sitze halt nicht mit drunter."

Genauso wenig wie die meisten ihrer Freunde. Es geht allen gut, Politik ist da selten Thema. Müsste es aber, sagt sie, denn den Politikern blind vertrauen, kann sie auch nicht. Ein Dilemma - an dessen Ende steht: Delia fühlt sich von der Politik übersehen, sieht aber auch keine Möglichkeit, auf sich aufmerksam zu machen. "Ich glaube, es ist eine Mischung aus einfach keine Zeit haben, keine Freiräume schaffen können und nicht so richtig Lust haben und nicht so richtig wissen, wo man ansetzen soll."

Helfen würden ihr da weder Wahlplakate, noch bunte Online-Kampagnen. Eher persönliche Gespräche mit den Politikern - aber wie soll das gehen? Und wann? Nicht jetzt. Denn inzwischen warten Kunden im Café, bald kommt ihr Sohn aus der Kita. Für Politik ist später Zeit - vielleicht.

#dasbrauchtdeutschland - weitere Portraits