rbb-Recherche - Berlins Justiz: "Wir sind am Ende!"

Zu wenig Personal, zu wenig Platz: Die Berliner Justiz geht auf dem Zahnfleisch. Und die Überlastung zeigt negative Wirkung: 2016 mussten deutlich mehr Verfahren eingestellt werden als in den Vorjahren. Wir sprechen diese Woche mit Beteiligten um zu klären: Wie gravierend ist die Überlastung der Berliner Justiz - und wie ist ihr zu helfen?

"Der Rechtsstaat ist nicht mehr funktionsfähig!" Dieses vernichtende Urteil über die Berliner Justiz fällt Oberstaatsanwalt Ralph Knispel im Oktober 2017 im rbb. Nicht weniger dramatisch ein namentlich nicht genannter Staatsanwalt, der im selben Monat im Tagesspiegel zitiert wird: "Wir sind am Ende. Wir können nicht mehr."

Es fehlen Staatsanwälte, auf neu ausgeschriebene Stellen bewerben sich nur wenige Qualifizierte, die Aktenberge steigen, es gibt zu wenige Räume. Außerdem ist die IT in der Justiz veraltet. Nach Recherchen des rbb mussten 2016 deutlich mehr Verfahren eingestellt werden als in den Jahren zuvor.

Die Strafkammern des Berliner Landgerichts sind fast alle überlastet, viele Verfahren können nicht mehr bearbeitet werden. Im Haushalt 2018 / 19 sind zwar 245 zusätzliche Stellen für die Justiz vorgesehen, aber können die überhaupt besetzt werden? Die Bezahlung in Berlin ist schlechter als beispielsweise in Brandenburg, die Aufstiegschancen sind gering.

Wie überlastet ist die Berliner Justiz tatsächlich? Welche Maßnahmen werden gegen die Überlastung ergriffen - und funktionieren die überhaupt? Diesen Fragen gehen wir nach.

Interviews zum Thema

Justiz am Limit - Eklatanter Personalmangel in der JVA Moabit

Zum Schluss dieser Woche werfen wir noch einen Blick auf die Situation in den Gefängnissen, am Beispiel der Justizvollzugsanstalt Moabit. Die wurde in den Jahren 1877 bis 81 als "Königliches Untersuchungsgefängnis" errichtet. Auch heute noch ist das Gebäude mit direktem Zugang zum Kriminalgericht in der Turmstraße ein Gefängnis für Untersuchungshäftlinge. Und es gibt - wie eigentlich in allen Haftanstalten in Berlin -  zu wenig Justizvollzugsbeamte. rbb-Reporter Matthias Bartsch war in der JVA Moabit und hat sich ein Bild von den Zuständen dort gemacht.

Justiz am Limit - Es geht auch anders: Musterschüler Sozialgericht

Durch die Sparpolitik der letzten Jahre wurde die Berliner Justiz an den Rand der Funktionsunfähigkeit gespart. Doch es gibt auch positive Entwicklungen: Beispielsweise beim Berliner Sozialgericht. Klagten die Richter und ihre Mitarbeiter noch vor fünf Jahren, dass sie das Gericht für ein Jahr schließen müssten, um die Aktenberge abzuarbeiten, sieht es dort heute anders aus: Das Gericht hat NICHT zugemacht - sondern die Zahl seiner Richter aufgestockt, umgebaut und sich auf Digital-Kurs gebracht. Sylvia Tiegs berichtet vom "Musterschüler" der Berliner Justiz.

Justiz am Limit - Drogen, Waffen - alles wird geschmuggelt

In Berliner Gefängnissen herrschen schwere Sicherheits- und Personalmängel – was nun Gutachter festgestellt haben, wissen die Insassen schon längst. Matthias Bartsch hat sich mit einem Ex-Häftling getroffen und sich erzählen lassen, wie einfach der Schmuggel in die JVA Plötzensee funktioniert.

Senator Behrendt: "Wir werden die Justiz besser machen"

Die Staatsanwälte am Berliner Landgericht sagen ganz deutlich: Wir sind am Limit! Zu wenig Ermittler, zu kleine Räume, sinkende Ermittlungsquoten der Polizei - und dann auch noch überlastete Strafkammern. Jetzt sagt Berlins Justizsenator Behrendt im Inforadio Abhilfe zu: Konkret sollen im Sommer am Landgericht fünf neue Strafkammern eingerichtet werden, außerdem werden 20 neue Staatsanwälte eingestellt, kündigt der Grünen-Politiker an.