Wie die Parteien ihre Spitzenkandidaten dem Wahlvolk "verkaufen" - Köpfe oder Programm?

Beim letzten Wahlkampf in den USA war ganz klar: es geht um Personen, um Köpfe. Donald Trump war das "enfant terrible", das auf viele US-Wähler genau deshalb sehr anziehend wirkte. In Deutschland gilt eigentlich, dass es mehr auf Partei und Programm als auf Persönlichkeiten ankommt. Hat sich auch da etwas geändert? Werden Köpfe immer wichtiger für die Bürger? Unsere Hauptstadt-Korrespondentin Angela Ulrich hat sich unter Wahlkämpfern in den Parteien umgehört.

Im letzten Wahlkampf 2013 ist ein Bild berühmt geworden, und ein ganz kurzer Spruch: "Sie kennen mich", dazu zwei Hände zur Raute geschlossen. Angela Merkel, die Ruhe und Beständigkeit ausstrahlt. In diesem Wahljahr wird die CDU zwar nicht erneut die Raute plakatieren. Aber die Kanzlerin bleibt das Zugpferd, sagt Stefan Hennewig, Kampagnenleiter in der CDU-Parteizentrale.

Hennewig glaubt, dass das Zupackende, Schnörkellose der Kanzlerin überzeugt: "Merkel ist eine der fleißgsten, arbeitssamsten Personen, die ich kennengelernt habe in meinem Leben, und im Umgang sehr angenehm, weil man einfach weiß, woran man ist. Und ich glaube, das sind auch Eigenschaften, die sie als Kanzlerin auszeichnen."

Auf die drei P's kommt es an: Person, Programm, Partei

Es ist noch gar nicht so lange her, da schien diese trockene Verlässlichkeit der Angela Merkel angestaubt. Seltsam kraftlos. Als nämlich die SPD plötzlich einen Kanzlerkandidaten aus dem Hut zaubert, der frisch und voller Emotionen daher kommt: Martin Schulz, hoch gelobt vom Vorgänger Sigmar Gabriel: "Du hast wirklich beides: einen klugen Kopf und heißes Herz."

Ich sehe jeden einzelnen von Euch, mir ist jeder Bürger wichtig - das ist die Botschaft von Martin Schulz. Er setzt auf Gefühle. Dass er beim Programm der SPD zunächst unkonkret bleibt, mehr Projektionsfläche als Profil bietet, schlägt sehr bald heftig zurück – die SPD sinkt in den Umfragen. Es muss einen Dreiklang geben, mahnt Matthias Miersch von der Parteilinken: "Nach meiner Auffassung reicht es nie, nur eine Person in den Mittelpunkt zu stellen. Es braucht 3 P's: Person, Programm und Partei, und beim Programm müssen wir arbeiten."

Auch die Grünen haben sich lange um Köpfe gekümmert. In einer Urwahl haben sie aufwändig ihr Spitzenduo bestimmt. Zu Ungunsten eines Mannes, der bundespolitisch ein neuer Kopf gewesen wäre – Robert Habeck aus Schleswig-Holstein. Der hat dann zumindest im Norden bei der Landtagswahl gepunktet, was die Grünen kurz danach in Nordrhein-Westfalen nicht geschafft haben, mangels Persönlichkeit, sagt der Politikwissenschaftler Karl Rudolf Korte:

"In Kiel gab es eine Art Küsten-Kretschmann, hier hätte man so einen Kumpel-Kretschmann gebraucht, als Typ auch frisch, neues Gesicht, neu angreifen, mit Themen, die vielleicht auch für eine Sympathie-Organisation, für ein besorgtes Bürgertum reichen."

Bildergalerie: Die Spitzenkandidaten der großen Parteien für die Bundestagswahl 2017

Nur auf Typen setzen reicht nicht

Lohnt es sich also auch in Deutschland, den Wahlkampf klar auf Typen zuzuschneiden? So wie in Frankreich, wo Emmanuel Macron wie eine Lichtgestalt daherkam, ohne großes Programm? Politologe Korte winkt ab: Am Ende wollen die Leute wissen: für welches Programm die Köpfe stehen.

"Also das Hauptthema das Jahres ist Sicherheit. Sicherheit in allen Facetten. Und nicht Gerechtigkeit. Insofern muss die SPD nicht nur überlegen, wie sie auch Wähler anspricht, die auf Frische, auf Neugier setzen, sondern auch auf Inhalte, die nicht nur um Gerechtigkeit gehen."

CDU- Kampagnenleiter Hennewig weiß: allein die Kanzlerin reicht nicht aus für den Wahlerfolg: "Ich glaube, dass schon mehr auf die Programme geguckt wird als das 2013 der Fall war, und dass auch mehr verglichen wird. Aber wie ich die Arbeit am Programm derzeit sehe kann das nur gut sein für die CDU." Doch Tempo macht die CDU hier nicht gerade – das Programm soll erst im Juli zum Parteitag kommen.

Weitere Beiträge