Wie die Parteien Politikverdrossene wieder an die Urnen holen wollen - Auf Wählerfang

Bei den letzten beiden Bundestagswahlen haben fast 30 Prozent der Berechtigten nicht gewählt. Ein Potential, von dem die AfD in den letzten Jahren bei vielen Landtagswahlen profitiert hat. Wie wollen die Parteien diese Menschen für sich gewinnen? Cecilia Reible hat das recherchiert.

Um die Nichtwähler kämpfen müssen die Parteien bei jeder Wahl immer wieder aufs Neue. Eine schwierige Aufgabe, denn DEN typischen Nichtwähler gibt es eigentlich nicht, sagt Stefan Hennewig, Wahlkampfmanager der CDU.

"Weil Nichtwähler immer nur heißt, ich hab beim letzten Mal nicht gewählt. Ich weiß nicht, warum der die CDU oder sonst eine Partei nicht gewählt hat, das können Millionen von Gründen sein, und wenn es nur das schöne Wetter ist, was ihn davon abgehalten hat, an dem Sonntag zur Wahl zu gehen."

Es gibt allerdings Studien, die zeigen, dass in den niedrigeren Einkommensschichten Nichtwähler stärker vertreten sind. Diese Menschen fühlen sich von der Politik nicht mehr vertreten, ein Gefühl, das meist als Politikverdrossenheit bezeichnet wird. Im vergangenen Jahr konnte die AfD in diesen Schichten viele bisherige Nichtwähler mobilisieren. AfD-Sprecher Christian Lüth räumt aber ein:

"dass wir natürlich diese sogenannten Protestwähler immer nur punktuell an uns binden können. Dann müssen wir auch da unsere Angebote immer wieder anpassen, diesen Menschen sehr gut zuhören, denn das ist eine sehr volatile Klientel."

Auch die Linke hat die Politikverdrossenen nicht aufgegeben. Parteichefin Katja Kipping setzt auf Überzeugungsarbeit im direkten Gespräch:

"Und das heißt, z.B. in der Flüchtlingsfrage, ganz klar Haltung zu zeigen und auch zu sagen: Wir reden Ihnen nicht nach dem Munde, wir werden nicht darum kämpfen, dass es anderen Menschen, sei es Geflüchteten oder noch Ärmeren, schlechter geht. Wir kämpfen aber mit aller Energie dafür, dass es Menschen wie Ihnen besser geht."

Sich der Sorgen der sogenannten "kleinen Leute" anzunehmen - das ist eine Methode, um politikverdrossene Nichtwähler anzusprechen. Auf einen anderen Punkt weist der Politikberater Frank Stauss hin. Er hat mit seiner Agentur Butter schon viele Wahlkämpfe für die SPD geführt, zuletzt für Hannelore Kraft in Nordrhein-Westfalen. Stauss‘ Analyse: Die Menschen gehen wählen, wenn sie das Gefühl haben, etwas bewegen zu können. Zum Beispiel bei der letzten Landtagswahl in Rheinland-Pfalz:

"Es gab einen sehr starken Mobilisierungseffekt bei den Nichtwählern. Da sind sehr viele wählen gegangen, weil sie die Gefahr sahen, dass Malu Dreyer nicht mehr Ministerpräsidentin bleiben könnte. Das heißt: Leute, die vier, fünf Jahre zuvor bei Kurt Beck zu Hause geblieben sind, weil sie gesagt haben, der gewinnt sowieso, die sind diesmal wählen gegangen."

In Nordrhein-Westfalen habe es diesen Mobilisierungseffekt ebenfalls gegeben, sagt CDU-Kampagnenchef Stefan Hennewig - nur in die andere Richtung. Dort hätten die Wähler die realistische Möglichkeit gesehen, die amtierende rot-grüne Regierung abzuwählen.

"Wenn mir das wichtig ist, dass jetzt was Anderes passiert, dann gehen eben mehr Menschen zur Wahl und wählen dann die Alternative gegen Rot-Grün, was in dem Fall Armin Laschet und die CDU gewesen ist."

Für die großen Parteien stehen also weniger die Politikverdrossenen im Fokus als die eigenen Anhänger. Sie müssen mobilisiert werden, sodass sie sich aufraffen zur Wahl zu gehen. Und das gelingt offenbar eher, wenn eine knappe Entscheidung vorausgesagt wird, wenn der Wähler also das Gefühl hat: Seine Stimme ist tatsächlich wichtig.

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