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Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge? - Flüchtlinge als Geschäftsmodell

In Berlin hat das Landesamt für Gesundheit und Soziales schwer damit zu kämpfen, Unterkünfte für immer mehr Flüchtlinge zu eröffnen. Das Land arbeitet dabei nicht mehr nur mit karitativen Trägern wie der Diakonie oder der Arbeiterwohlfahrt zusammen: Etwa die Hälfte der Berliner Flüchtlingsheime wird mittlerweile von Privat-Unternehmen betrieben - und die haben in der Vergangenheit immer wieder für Kritik gesorgt.

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Das Landesamt für Gesundheit und Soziales reagierte, machte mehreren Kontrollbegehungen und verlangte Nachbesserungen und Rückzahlungen. Eine Reaktion erst nachdem die Kritik öffentlich wurde? LaGeSo-Präsident Franz Allert sieht das anders: "Was gemacht werden musste, war im Grunde genommen der Sanitärbereich, der Einbau von Küchen und Ähnliches - keinesfalls nur auf Druck der Initiative, die aber sehr kritisch den ganzen Prozess begleitet hat. Was auch durchaus wichtig ist, weil wir auch gesehen haben, dass es an der einen oder anderen Stelle nicht so schnell ging, wie wir das vom Betreiber erwartet haben."

Das Land Berlin hat die Kosten für die Nachbesserungen selber übernommen. Laut dem Betreibervertrag erhält die Gierso für das Heim in der Levetzowstraße vom Land rund 21 Euro pro Flüchtling pro Tag, für Unterbringung und Betreuung.

Bei aktuell knapp 200 Flüchtlingen sind das über 100.000 Euro im Monat. Rechnet man das auf die anderen fünf Gierso-Heime hoch, dürfte die Gierso pro Jahr rund 8 Millionen Euro bekommen – aus Steuergeldern.

Neue Heimat Moabit, Flüchtlingskind, Berlin, Foto und Copyright: rbb/Freiberg
Ein Flüchtlingskind beim Deutsch-Stammtisch im Café "Neue Heimat"

Patensohn des Behördenchefs verdient an Flüchtlingen

An der Spitze der Firma steht der 27-jährige Tobias Dohmen, der Patensohn des Behördenchefs, der für die Unterbringung der Flüchtlinge zuständig ist. Franz Allert sagte der Presse, er habe sein Patenkind jahrelang aus den Augen verloren und per Zufall beruflich wiedergetroffen.  

Wir wollen mit Gierso-Geschäftsführer Tobias Dohmen über seine Firma sprechen, doch ein Treffen kommt nicht zustande. Dafür aber ein längeres Telefonat mit einem Dohmen-Vertrauten, der jahrelang als Journalist gearbeitet hat. Er bezeichnet die Ermittlungen gegen Gierso und LaGeSo-Chef Allert als lächerliches Theater und empfiehlt uns über etwas Spannenderes zu berichten. Man werde bei den Ermittlungen nichts Interessantes herausfinden.

In der sogenannten "Patensohn-Affäre" gibt es allerdings auch Untersuchungen durch Allerts Vorgesetzten, Berlins Sozialsenator Mario Czaja von der CDU. Als der öffentliche Druck zu groß wurde, ordnete er eine Innenrevision im Landesamt für Gesundheit und Soziales an. Die Behörde sollte in den Akten prüfen, ob es Hinweise gibt, dass ihr Chef bei der Vergabe von Aufträgen Einfluss genommen hat. Ein erster Prüfungsbericht zeigte nichts Belastendes.

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Im Café "Neue Heimat" helfen Ehrenamtliche den Flüchtlingen mit ihren alltäglichen Problemen.

"Eine Aufklärung hat nicht stattgefunden."

Für die Opposition im Berliner Abgeordnetenhaus ist diese Art der Untersuchung eine Farce. "Eine Aufklärung hat tatsächlich noch gar nicht stattgefunden", sagt beispielsweise Fabio Reinhardt von den Piraten. "Dieser Revision wurden unvollständige Akten übergeben. Es fand keine Befragung statt. Das zentrale Treffen, das so genannte Leitungs-Jour Fixe, auf dem Präsident Allert persönlich anwesend war, ist nicht hinreichend dokumentiert, bzw. wurde die Dokumentation darüber als privat eingestuft. Da kann überhaupt keine Entlastung stattfinden, weil keine angemessene Aktengrundlage vorherrscht."

Noch sind die Untersuchungen im LaGeSo nicht abgeschlossen. In einem zweiten Schritt wurden die Mitarbeiter befragt, um Aufschluss über die Entscheidungswege in der Behörde zu geben.

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Themenschwerpunkt - Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge?

Deutsche Großstädte sind von den hohen Flüchtlingszahlen besonders betroffen. Nach einer gemeinsamen Recherche von Inforadio und ZEIT ONLINE in den Städten Berlin, Hamburg und Köln gibt es derzeit keine Lösungen, wie Flüchtlinge schnell und angemessen untergebracht werden können. Berlins Integrationssenatorin Kolat räumte ein, dass es schwierig sei, im selben Tempo neue Unterkünfte zu errichten, wie die Zahl der Flüchtlinge wachse. Sozialsenator Czaja sieht in der Hauptstadt allerdings durchaus Fortschritte bei der Unterbringung von Flüchtlingen.