Kölns Sozialdezernentin Henriette Reker (Bild: dpa)
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Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge? - "Was sollen wir tun?"

Kölns Umgang mit Flüchtlingen galt als vorbildlich. Heute herrscht in der Stadt der Notstand. Wie konnte das passieren? Ein Gespräch mit der Sozialdezernentin Henriette Reker. Von Philip Faigle - ein Gastbeitrag von ZEIT ONLINE.

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ZEIT ONLINE: In manchen Orten nutzen Geschäftemacher die Not der Städte aus und rufen hohe Preise für Hotels und andere Unterbringungen auf. In Köln auch? 

Reker: Es gibt auch in Köln Leute, die mit der Not der Flüchtlinge Geld verdienen wollen, ja.  

ZEIT ONLINE: Inwiefern?

Reker: Manche Investoren verlangen astronomische Preise für Unterkünfte. Uns wurde zuletzt beispielsweise eine Unterkunft für 25 Euro den Quadratmeter angeboten. Auf solche Deals haben wir uns bisher trotz der Notsituation nicht eingelassen. Wir müssen auch darauf achten, dass wir wirtschaftlich vernünftig handeln und der soziale Friede gewahrt bleibt.

ZEIT ONLINE: Köln hat in der Not mittlerweile 27 Hotels angemietet. Ist das sinnvoll?

Reker: Nochmals: Was sollen wir sonst tun? Es handelt sich um keine noblen Unterkünfte, maximal Zwei- bis Drei-Sterne-Hotels. Wir sind damit auch nicht zufrieden, denn die Form der Unterbringung ist mit Abstand die teuerste von allen. Und es gibt auch da Hoteliers, die hohe Preise aufrufen. Weil wir dem entgegenwirken wollen, haben wir unlängst sogar ein Hotel ersteigert und lassen es jetzt für die Flüchtlinge umbauen.

Rund sechs Millionen Euro gibt die Stadt für das Hotel Bonotel in der Kölner Südstadt aus. Verkündet wurde das Geschäft vergangenes Jahr im Spätsommer. Es war das erste Mal, dass eine Stadt überhaupt ein Hotel komplett gekauft hat. Gegen den Kauf gab es heftigen Protest, vor allem von Investoren, die das Haus gerne weitergeführt hätten. Reker hatte damals schlicht gekontert: "Wir brauchen das Hotel."

ZEIT ONLINE: Was wird die Unterbringung der Flüchtlinge die Stadt in den nächsten Jahren kosten?

Reker: Wir haben im vergangenen Jahr 40 Millionen für die Unterbringung ausgegeben. In diesem Jahr werden es wohl 60 Millionen sein. Für eine seriöse Kostenprognose ist es allerdings zu früh.

ZEIT ONLINE: Wann, glauben Sie, wird die Notstandslogik, mit der die Stadt vorgeht, ein Ende haben?

Reker: Wir müssen langfristig wieder zu einer dezentralen Unterbringung zurückkehren, in eingestreuten Wohnungen, bei Wohnungsbaugesellschaften. Aber im Moment geht es einfach nicht.

Kurz nach dem Gespräch wird die Stadt Köln neue Zahlen veröffentlichen – die Zahl der Flüchtlinge wird in den kommenden Monaten noch einmal steigen. "Fast täglich ändert sich die Lage", sagt ein Sprecher. Die Stadt Köln will darauf wie in den vergangenen Monaten reagieren: von Tag zu Tag, im Notstandsmodus – und ohne einen langfristigen Plan.

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Themenschwerpunkt - Überforderte Städte - Kein Platz für Flüchtlinge?

Deutsche Großstädte sind von den hohen Flüchtlingszahlen besonders betroffen. Nach einer gemeinsamen Recherche von Inforadio und ZEIT ONLINE in den Städten Berlin, Hamburg und Köln gibt es derzeit keine Lösungen, wie Flüchtlinge schnell und angemessen untergebracht werden können. Berlins Integrationssenatorin Kolat räumte ein, dass es schwierig sei, im selben Tempo neue Unterkünfte zu errichten, wie die Zahl der Flüchtlinge wachse. Sozialsenator Czaja sieht in der Hauptstadt allerdings durchaus Fortschritte bei der Unterbringung von Flüchtlingen.