Interview - Experte zu Jugendgewalt: "Anzeichen einer Werteverschiebung"
Die Gewalt an Berlins Schulen ist gestiegen. Insgesamt werden die Täter immer jünger. Forscher Albrecht Lüter beobachtet als einen Grund, dass Modelle gewaltsamer Maskulinität wieder salonfähig geworden seien.
Es ist noch immer unklar, warum die Grundschule am Weinmeisterhorn in Berlin-Spandau vergangene Woche zu einem Tatort wurde. Ein 13-jähriger Junge hatte dort einen 12-jährigen Mitschüler mit einem Messer lebensgefährlich verletzt. Die Polizei will den mutmaßlichen Täter in dieser Woche vernehmen, noch wird er in einer kinder- und jugendpsychiatrischen Einrichtung betreut.
Albrecht Lüter, Leiter des Bereichs Gewaltprävention beim Forschungsinstitut Camino, sagt, hierzulande sei es immer noch - anders als etwa in den USA - ungewöhnlich, dass Waffen im Spiel seien. "Ich denke, da ist für die Prävention im Augenblick viel zu tun, weil Kinder und Jugendliche manchmal denken, sie könnten sich mit einem Messer schützen."
Lüter: Einflüsse werden ungefilterter an Kinder herangetragen
Es gebe den auffälligen Trend, dass zunehmend Minderjährige zu Tätern werden. Das hänge auch damit zusammen, dass sich bestimmte Entwicklungsprozesse früher abspielten, sagt Lüter. Dabei spielten auch soziale Medien eine Rolle, dadurch "dass bestimmte Einflüsse viel ungefilterter, viel früher an Kinder und Jugendliche herangetragen werden und sich das dann auch im Verhalten sichtbar macht".
Er beobachte zudem "Anzeichen einer Werteverschiebung". Modelle gewaltsamer Maskulinität seien wieder salonfähig geworden. Die seien eigentlich auf dem Rückzug gewesen. Wenn die Kinder zuhause bereits Erfahrungen mit Gewalt machten, gebe es die Gefahr, dass sie bestimmte Muster des Verhaltens auch erlernen.