Interview - Ernährungsmediziner Riedl: "Übergewicht ist ein Systemproblem"
Am Freitag startet der erste Bürgerrat zum Thema Ernährung. In dem von der Bundesregierung eingesetzten Ideen-Forum sollen Bürgerinnen und Bürger Vorschläge für die Politik erarbeiten. Der Ernährungsexperte Matthias Riedl empfiehlt, der Lebensmittelindustrie härtere Grenzen zu setzen.
Wie können sich die Menschen in Deutschland gesünder und nachhaltiger ernähren? Mit dieser Frage beschäftigt sich ab Freitag der erste vom Bundetag ins Leben gerufene Bürgerrat. In dem Ideen-Forum sollen Bürgerinnen und Bürger Vorschläge für die Politik erarbeiten und neue Wege der Bürgerbeteiligung ausprobiert werden.
Übergewicht als Systemproblem
Für den Ernährungsexperten Matthias Riedl sollte es dabei vor allem um das Thema Übergewicht gehen. Rund die Hälfte der Menschen in Deutschland gelten als übergewichtig. "Wenn so viele Menschen übergewichtig sind und das auch schon bei Kindern auftritt, dann ist das kein Privatproblem, dann haben wir ein Systemproblem", so der Arzt für Ernährungsmedizin.
Für Riedl bekommen übergewichtige Menschen zu wenig Hilfe dabei, wie sie ihre Ernährung umstellen können. Und es helfe auch nicht, dass es in deutschen Supermärkten unglaublich viele Dinge gebe, die dick machen. "Wir haben in den Supermärkten sehr viele hochverarbeitete Produkte mit sehr viel Zucker, Kohlenhydraten, mit schlechten Fetten und ohne Ballaststoffe, mit wenig Eiweiß und das ist einfach der Dickmacher überhaupt."
Grenzen für die Ernährungsindustrie und mehr Information
Das Problem sei, dass der Staat der Ernährungsindustrie hier keinerlei Grenzen setze, kritisiert der Ernährungsexperte. Vor allem brauche es weniger Zucker und eine bessere Qualität bei Fertigprodukten. "Die Lebensmittelindustrie kann bessere Produkte herstellen, aber sie macht es nicht." Außerdem müsse der Staat dafür sorgen, dass frisches Gemüse wieder günstiger wird, fordert Riedl.
Dem neu eingesetzten Bürgerrat empfiehlt der Ernährungsmediziner, darauf zu schauen, wie man die Menschen besser darüber informieren kann, welches Essen gut für sie ist. "Ich erlebe bei meinen Patienten eine große Diätverwirrung. Die Leute wissen, dass das, was sie essen, sie krank macht und dick macht. Aber sie wissen nicht, wie sie dem entrinnen können."