Interview - Osteuropa-Experte: "Absolutes Chaos" in Berg-Karabach
Der Konflikt um die umstrittene Region Berg-Karabach ist wieder entflammt. Zehntausende Menschen fliehen. Inzwischen habe sich die Informationslage etwas verbessert, sagt der Osteuropa-Experte Stefan Meister. Trotzdem sei noch immer unklar, wieviele Menschen getötet worden sind.
Stefan Meister leitet das Zentrum für Ordnung und Governance in Osteuropa, Russland und Zentralasien. Er sagt, die Informationslage über die Lage in Berg-Karabach habe sich verbessert, weil Strom und Internet wieder funktionieren und die Menschen das Gebiet wieder verlassen können.
Meister spricht von mindestens 50.000 Geflüchteten und sagt, dass es "absolutes Chaos" in der Region selbst gebe. Es sei unklar, wie viele Menschen getötet worden sind. "Die Aserbaidschaner haben jetzt die eigenen Getöteten im Krieg letzte Woche hochgesetzt auf knapp 200." Es seien aber deutlich mehr Armenier getötet worden.
"Exodus der Armenier aus Bergkarabach hat begonnen"
"Wir wissen nicht, was in den Dörfern genau passiert ist, also ob es da Säuberungsaktionen gegeben hat. Aber was wir wissen, ist, dass jetzt die Menschen die Region verlassen können und dass im Prinzip der Exodus der Armenier aus Berg-Karabach begonnen hat."
Forderungen etwa von Bundesaußenministerin Annalena Barbock (Bündnis 90/Die Grünen) nach einer internationalen Beobachtungsmission hält Meister für "ganz wichtig". Denn es brauche Transparenz und verifizierbare Informationen. Außerdem könne es die Aserbaidschaner vor möglichen Racheakten gegen die Armenier abschrecken. "Wir wissen, dass die Aserbaidschaner auch massive Rachegefühle haben, durch das, was ihnen in den 90er-Jahren passiert ist." Meister zeigt sich überzeugt, dass es mit Hilfe von internationalem Druck eine Art Beobachtungsmission geben könne.