Interview - Integrationsexperte: Benachteiligte Bezirke brauchen Geld und soziale Angebote
Neuköllns Bezirksbürgermeister Martin Hikel (SPD) hat gewarnt, dass angesichts der ersten Haushaltsplanungen möglicherweise soziale Angebote gestrichen werden müssen. Das hätte für den Bezirk fatale Folgen, sagt Kazim Erdoğan vom Verein Aufbruch Neukölln. Er will auch erneute Silvesterkrawallen nicht ausschließen.
Seit der Silvesternacht habe sich an der Situation in Neukölln nichts verbessert, kritisiert Kazim Erdoğan. Der Soziologe und Psychologe gilt als Experte für Integration. Er habe an beiden "Krisengipfeln gegen Jugendgewalt" teilgenommen und sei deshalb optimistisch gewesen. In der Folge sei allerdings nicht gehandelt worden. "Wir haben schön geredet, schöne Papier beschlossen, formuliert – aber umgesetzt haben wir leider nichts."
Erdoğan: "Schlag ins Gesicht" für Familien, die auf Hilfe angewiesen sind
Erdoğan sagt, es müssten eigentlich die Bedingungen in benachteiligten Bezirken verbessert werden – etwa mit dem Familienfördergesetz oder der Kindergrundsicherung. "Und jetzt machen wir das Gegenteil: Die Gelder, die versprochen worden sind, fließen nicht und es gibt massive Kürzungen." Das sei ein Schlag ins Gesicht für die Familien, die "bitternötig" auf die Unterstützung des Staates angewiesen seien.
"Wer mich kennt, weiß, dass ich nicht so schnell den Teufel an die Wand malen möchte", sagt Erdoğan. "Aber wenn wir die richtigen und entsprechenden Maßnahmen nicht so schnell wie möglich ergreifen, werden die Entwicklungen in Paris und Frankreich uns auch erreichen." Geredet habe man genug, jetzt müsse schnell gehandelt werden. Deshalb fordere er die Politik und alle gesellschaftlichen Kräfte auf, alle nötigen Maßnahmen zu ergreifen.