Eine ältere und eine jüngere Person halten sich an den Händen auf einer Bettdecke.
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Interview - Verein zum Pflegeentlastungsgesetz: Wird Namen nicht gerecht

Der Bundestag hat am Freitag das Pflegeentlastungsgesetz beschlossen. Die Beiträge zur Pflegeversicherung steigen damit ab Juli. Heinrich Stockschlaeder vom Bundesverband pflegender Angehöriger sagt, es greife den Reformbedarf zwar auf, die Finanzierung müsse aber auf eine bessere Grundlage gesetzt werden.

Der Bundestag hat am Freitag die umstrittene Pflegereform der Ampel-Koalition beschlossen. Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will damit angesichts stark steigender Kosten Entlastungen für Pflegebedürftige von 2024 an auf den Weg bringen. Heinrich Stockschlaeder aus dem Vorstand des Bundesverbands pflegender Angehöriger "Wir pflegen" findet, es sei ein Gesetz mit einer Reihe von guten Ansätzen. Dennoch bedürfe es einer "intensiven Nachbereitung", sagt er.

Insbesondere kritisiert der Verein, dass die Erhöhung des Pflegegelds zu gering ausfalle angesichts der "massiven Kostensteigerungen" in dem Bereich. Das sogenannte Pflegeentlastungsgesetz greife zwar den Reformbedarf auf, "aber wird seinem Namen eigentlich nicht gerecht", so Stockschlaeder. Angesichts der demografischen Entwicklung sei das viel zu wenig.

Bundesverband schlägt Pflegelotsen vor

 

Die Finanzierung müsse "baldigst auf eine bessere Grundlage gesetzt werden". So sei es nicht ausreichend, nur die Beiträge zur Pflegeversicherung zu erhöhen: "Hier ist der Bund in der Pflicht, mit Steuermitteln viel stärker mit hineinzugehen. Und das ist auch erforderlich, um die Pflege überhaupt zukunftsfähig zu machen." Zudem sei der Personalmangel ein großes Problem.

Der Bundesverband pflegender Angehöriger schlägt außerdem Lotsen vor, damit Betroffene besser die vielen Regelungen in der Pflege verstehen. Diese Personen sollten sie "unabhängig und verbindlich durch alle Tiefen der Pflege" begleiten.

Kernpunkte der geplanten Pflegereform

Pflege zu Hause: Das zuletzt 2017 erhöhte Pflegegeld soll zum 1. Januar 2024 um fünf Prozent steigen, genauso wie die Beträge für Sachleistungen. Pflegegeld soll Pflegebedürftige unterstützen, die nicht in Einrichtungen leben. Sie können es frei nutzen, etwa für Betreuung. Je nach Pflegegrad sind es zwischen 316 und 901 Euro im Monat. Zu Hause gepflegt werden rund vier Millionen Menschen.

Pflege im Heim: Anfang 2022 eingeführte Entlastungszuschläge für Bewohnerinnen und Bewohner sollen zum 1. Januar 2024 erhöht werden. Den Eigenanteil für die reine Pflege soll das im ersten Jahr im Heim um 15 statt bisher 5 Prozent drücken, im zweiten Jahr um 30 statt 25 Prozent, im dritten um 50 statt 45 Prozent und ab dem vierten Jahr um 75 statt 70 Prozent. Hintergrund ist, dass die Pflegeversicherung - anders als die Krankenversicherung - nur einen Teil der Kosten für die reine Pflege trägt. Im Heim kommen dann auch noch Zahlungen für Unterkunft, Verpflegung und Investitionen in den Einrichtungen dazu.

Unterscheidung bei Beiträgen: Der Pflegebeitrag liegt aktuell bei 3,05 Prozent des Bruttolohns, für Menschen ohne Kinder bei 3,4 Prozent. Zum 1. Juli soll er erhöht werden, und zwar in Kombination mit Änderungen wegen eines Urteils des Bundesverfassungsgerichts. Demnach muss mehr danach unterschieden werden, ob man Kinder hat oder nicht. Alles in allem soll der Beitrag für Kinderlose damit auf 4 Prozent steigen und für Beitragszahler mit einem Kind auf 3,4 Prozent. Der darin enthaltene Arbeitgeberanteil soll von nun 1,525 Prozent auf 1,7 Prozent herauf.

Konkrete Beiträge: Konkret soll der Pflegebeitrag für größere Familien für die Dauer der Erziehungsphase bis zum 25. Geburtstag des jeweiligen Kindes deutlicher gesenkt werden - und zwar schrittweise je Kind. Ab zwei Kindern müsste damit - bezogen auf den Arbeitnehmeranteil von derzeit 1,525 Prozent - weniger gezahlt werden als heute. Bei zwei Kindern soll der Arbeitnehmeranteil künftig 1,45 Prozent betragen, bei drei Kindern 1,2 Prozent, bei vier Kindern 0,95 Prozent und bei fünf und mehr Kindern 0,7 Prozent. Ist ein Kind älter als 25 Jahre, entfällt "sein" Abschlag. Sind alle Kinder aus der Erziehungszeit, gilt dauerhaft der Ein-Kind-Beitrag, auch wenn man in Rente ist.

Jahresbudget: Kommen soll nun doch auch ein flexibel nutzbares Budget mit Entlastungen für pflegende Angehörige. Darin sollen Leistungen der Verhinderungs- und Kurzzeitpflege gebündelt werden - also, dass die Pflege gesichert ist, wenn Angehörige es nicht machen können. Ab 1. Juli 2025 sollen so jährlich 3539 Euro nutzbar sein. Für Eltern pflegebedürftiger Kinder mit Pflegegrad 4 oder 5 soll das Budget schon ab 1. Januar 2024 mit 3386 Euro zur Verfügung stehen und bis Juli 2025 dann ebenfalls auf 3539 Euro anwachsen.

Dynamisierung: Vorgesehen sind auch zwei Stufen, um alle Geld- und Sachleistungen weiter zu erhöhen. Zum 1. Januar 2025 soll nun ein Plus von 4,5 Prozent statt zunächst gedachter 5 Prozent kommen - im Gegenzug zum noch aufgenommenen Budget. Zum 1. Januar 2028 sollen die Leistungen angelehnt an die Inflationsrate der drei Vorjahre steigen.

Quelle: dpa

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