Blick aufs Flugfeld und den Tower.
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Bild: imago images/Sabine Gudath

- Die unendliche Geschichte des BER

Am Sonnabend ist es soweit: 24 Jahre nach der Entscheidung, einen neuen Flughafen zu bauen, eröffnet der BER. Dazwischen lag eine beinahe undendliche Abfolge von Baufehlern und Schlampereien. Thomas Rautenberg erzählt die Geschichte und Geschichten eines Flughafenbaus.

Engelbert Lütke Daldrup hat geschafft, wovon seine Vorgänger in den 14 Jahren Bauzeit des BER nur träumen können. Am 31. Oktober wird der BER eröffnet. "Die deutsche Hauptstadt erhält endliche einen Flughafen nach internationalem Standard", verkündete der Chef der Flughafengesellschaft.

Bis vor kurzem lief noch der Probebetrieb auf dem BER. 9.900 Komparsen und 24.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Airport, Airlines und Abfertigungsdiensten haben die Flughafenabläufe getestet. Zweimal pro Woche waren bis zu 400 freiwillige Flughafentester unterwegs. Leute, die das BER-Terminal einfach mal sehen und persönlich erleben wollten. Der Flughafen auf Probe hat insgesamt überzeugt. Sie könne sich vorstellen, über Weihnachten vom BER aus zu verreisen, meint eine der Freiwilligen.

Vorstellen kann man sich vieles - ob es tatsächlich klappen wird, hängt wohl nicht zuletzt von den dann geltenden Reisebeschränkungen ab. Aber zumindest kann die Hauptstadtregion nach über 14 Jahren Bauzeit mit einem modernen Flughafen aufwarten.

 

Beginn einer unendlichen Geschichte

28. Mai 1996 - Bundesverkehrsminister Matthias Wissmann , Berlins Regierender Bürgermeister Eberhard Diepgen (beide CDU) und Brandenburgs Ministerpräsident Manfred Stolpe von der SPD einigen sich auf den künftigen Flughafenstandort für die Hauptstadtregion. Eberhard Diepgen verkündet: "Wir empfehlen der Flughafengesellschaft die Standortgesellschaft zugunsten von Schönefeld."

Also wird doch nicht weit draußen, sondern mitten in die Berliner Stadtrandsiedlungen gebaut. Mit der Folge, dass bis zu 750 Millionen Euro allein für die notwendige Schallschutzmaßnahmen der benachbarten Anwohner fällig werden.

2006 beginnt der Bau des neuen Flughafens. Bis zu zwei Milliarden Euro soll das Projekt kosten und im November 2011 fertig sein. Doch das wird nichts. Neuer Termin: 03. Juni 2012 - auf der Baustelle liegt zu viel im Argen. Am 08. Mai dann die Vollbremsung von Berlins Regierendem Bürgermeister und Flughafen-Aufsichtsratschef Klaus Wowereit sowie Brandenburgs Ministerpräsident Matthias Platzeck - der Flughafenstart wird abgesagt. "Kein guter Tag für den Hauptstadtflughafen Willy Brandt, kein guter Tag für die Bürgerinnen und Bürger unserer beiden Länder", gibt Wowereit zerknirscht zu. Man sei "stocksauer", erklärt Platzeck.

 

Neue Starttermine sprudeln heraus

Nach der Absage sprudeln gleich neue Starttermine aus den Politikern heraus: Im August des gleichen Jahres soll es nun losgehen, fordert Platzeck. Wenig später bringen die beiden Länderchefs den 27. März 2013 ins Spiel. Doch die Terminvorgaben zeigen im Grunde nur, wie wenig die Entscheider über den Bausachstand in Schönefeld wissen, wie weit die Politik von Ostdeutschlands wichtigstem Infrastrukturprojekt weg ist. Auf der Baustelle bemüht sich derweil Horst Amann, etwas Ordnung in das Chaos zu bringen. Der neue Bau- und Technikchef kommt vom Frankfurter Flughafen und macht eine erste Bestandsaufnahme. Am Ende stehen über 200.000 Baumängel auf seiner Liste: "Hier ist in dem guten Versuch, einen Termin zu waren doch mehr schief als gut gegangen, da müssen wir einiges wieder korrigieren", so Amann.

Dem politischen Druck, sich endlich auf einen neuen Eröffnungstermin festzulegen, kann auch Bau-Profi Amann nicht lange widerstehen. Der 27. Oktober 2013 wird als neuer Termin verkündet.

Für BER-Bauchef Horst Amann wird die Luft am BER ganz schnell ganz dünn. Die Politik will keine Mängellisten, sie will endlich einen neuen Flughafen. Berlin, Brandenburg und der Bund holen einen neuen, altgedienten Manager: Ex- Bahn- und Air-Berlin-Chef Hartmut Mehdorn übernimmt die Geschäftsführung beim BER. Er gründet ein so genanntes Sprintteam, das die BER-Eröffnung im Sauseschritt ermöglichen soll. Dutzende junge Männer und Frauen von internationalen Beratungsunternehmen fallen auf der Baustelle ein und übernehmen das Kommando.

 

Mehdorns Sprintteam scheitert

Mehdorn will nicht zurückschauen, höchstens dann, wenn es um die Fehler der anderen geht: "In der ursprünglichen Konzeption des Flughafens war eine zentrale Sprinkleranlage vorgesehen. Die Baubehörde hat schon früh den Finger gehoben und gesagt, das wird so nicht gehen." Aus unverständlichen Grünen sei die Sprinkleranlage nicht geteilt worden, so Mehdorn. "Da sind wir verarscht worden von diesem Flughafen, Entschuldigung, wenn ich das so sage."

Doch für eine Redundanz der Sprinkleranlage fehlen die Pläne. Genauso wie für die Brandmelde- und Entrauchungsanlage, zwei ganz sensible Bereiche, von denen keiner weiß, was nur auf dem Papier steht und was in Schönefeld wirklich gebaut worden ist.

Selbst Mehdorns Sprintteam begreift langsam, dass es am BER nicht um einen finalen Spurt zur Eröffnung geht, sondern um einen Ultra-Marathon. Je länger die Ergebnisse auf sich warten lassen, desto dünnhäufiger wird der Manager.

 

Mehdorn schmeißt hin

Der Flughafen-Aufsichtsrat verliert die Geduld, auch mit Mehdorn. Die Kosten für Abriss, Umbau und Sanierung steigen immer weiter. Aber einen Eröffnungstermin gibt es immer noch nicht. Hartmut Mehdorn hat die Nase voll, schmeißt hin und schiebt eine Warnung an seinen Nachfolger hinterher: "Wenn man neu hier antritt, kann man gar nicht ahnen, was einen erwartet."

Neuer Flughafenchef wird Ende Februar 2015 Karsten Mühlenfeld, Ingenieur und bislang Werksleiter bei Rolls Royce in Brandenburg. Im Herbst 2017 will Mühlenfeld den BER endlich an den Start bringen, sagt er zumindest. Später wird auch dieser Termin wieder klammheimlich kassiert. Mühlenfeld kann sich zwei Jahre an der Flughafenspitze halten. Er geht 2017 und macht Platz für Engelbert Lütke Daldrup.

Geschäftsführer Lütke Daldrup holt 2018 alle beteiligten Baufirmen an einen Tisch. Er schließt neue Verträge, einigt sich auf Fertigstellungstermine. Langsam nimmt das ganze Projekt wieder Fahrt auf.

 

Es wird nachgedübelt

Die Firma Bosch setzt alle automatischen Türen instand und baut die Brandmeldeanlage fertig. Siemens entwickelt eine neue Systemsteuerung, mit der die Brandschutz- und Entrauchungstechnik tatsächlich auch funktioniert. Die Firma ROM sortiert und verlegt tausende Kilometer Kabel neu, die vorher ohne jeden Plan irgendwie verbaut worden waren. Stromtrassen, mit nicht zertifizierten Dübeln an den Wänden montiert, werden kurzerhand nachgedübelt.

Die sogenannten Wirk-Prinzip-Prüfungen, bei denen der TÜV das Zusammenspiel aller sicherheitsrelevanten Anlagen testet, geht schließlich ohne große Beanstandungen über die Bühne. Diesmal sehe es wirklich gut aus, bestätigt auch Landrat Stephan Loge, dessen Behörde die Bauabnahme erteilen muss. Lütke Daldrup wirkt erstmals zufrieden.

 

5000 Passagiere am ersten Tag erwartet

So richtig losgehen wird es erstmal auf dem neuen Flughafen dennoch nicht: Wegen der Corona-Krise erwartet Lütke Daldrup ganze 5000 Passagiere am ersten Tag des BER. In Normalzeiten wären es fünfzig oder gar 60.000 gewesen. Den Start mache das einfacher, gar keine Frage, sagt Lütke Daldrup, aber der Flughafengesellschaft gehe auch viel Geld verloren.

Rund 6,5 Milliarden Euro hat der neue BER bis jetzt gekostet und damit dreimal so viel, wie ursprünglich geplant. Eine Erfolgsgeschichte sieht anders aus, räumt auch Lütke Daldrup ein: "Es gibt keine große Party, wir machen einfach auf."

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Innenansicht von Terminal 1 des BER.
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Die Geschichte eines Flughafens - Nach 14 Jahren Bauzeit: Der BER eröffnet

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