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- Wie erfolgsversprechend ist eine Enteignung?

Der Berliner Wohnungsmarkt bleibt angespannt, die Mieten klettern immer weiter. Die Politik versucht gegenzusteuern – mit mäßigem Erfolg. Am Sonnabend startet die Initiative "Deutsche Wohnen & Co. enteignen" - so der provokative Titel. Wie sinnvoll ist das Vorhaben, für das Unterschriften gesammelt werden? Ein eher nüchternes Fazit treffen rbb-Reporterin Andrea Everwien und Inforadio-Landespolitik-Korrespondent Thorsten Gabriel.

Everwien bezweifelt, dass Enteignungen sinnvoll wären. Zum einen gäbe es juristische Hindernisse, wie das Gutachten des renommmierten Verfassungsrechtlers Helge Sodan, der die Machbarkeit verneint. Zum anderen ist die Finanzierung der Entschädigungen nicht geklärt. Denn sollte es zu einer Vergesellschaftung kommen, müsste der Senat Kosten in Höhe von 28,8 bis 36 Milliarden Euro bereitstellen. Zum Vergleich - der jährliche Berliner Gesamthaushalt liegt bei 30 Milliarden Euro. Hinzu kämen ungefähr zusätzliche 340 Millionen Euro jährlich. In Berlin greife aber ab 2020 die Schuldenbremse, es dürfen keine neuen Kredite aufgenommen werden.

Schärfere Gesetze und schnellere Urteile
Maßnahmen wie Zwecktentfremdungsgebot, Milieuschutzgebiete oder Neubauoffensive reichten offensichtlich nicht aus, so Everwien. Vor allem juristisch müsse sich etwas bewegen, beispielsweise aktuell bei Klagen gegen die Modernisierungsumlage. Hier wäre, so ein Kritikpunkt, das Gleichgewicht der Vertragsfreiheit nicht gewahrt. Es bräuchte mehr und schärfere Gesetze, die sich besser durchsetzten. Die Verfahren müssten schneller werden, damit Mieter nicht erst ihre Wohnung verlassen, um dann in 20 Jahren Recht zugesprochen zu bekommen, so Everwien.

Gabriel befürwortet hingegen die Debatte an sich. Diese hätte viel losgetreten, die "Deutsche Wohnen" gebe sich kommunikativ und ansprechbar. Das heißt noch nicht, dass sich wirklich etwas verändere, aber auf jeden Fall komme Bewegung in eine sehr verhärtete Debatte. Die Behauptung der Initiative "Deutsche Wohnen und Co. enteignen", man könne die betroffenen Unternehmen weit unter Verkehrswert entschädigen, dürfte sich juristisch sehr lange hinziehen. Den Mietern helfe dies kurzfristig nicht. Zudem schaffen Enteignung oder Vergesellschaftung durch die Politik kein gutes Klima um pragmatische Lösungen für mehr Wohnraum und bezahlbare Mieten zu finden. Stattdessen müsse sich die Politik auf Bundesebene  - Mietrecht ist Bundesrecht - noch mehr engagieren. Berlin sei eine von vielen Großstädten mit diesem Problem - aber es gäbe kaum Bestreben nach Bündnissen mit anderen Städten. "Der Druck von der Straße müsse mehr in die Politik", so Gabriel.

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Protestplakat Deutsche Wohnen und Co enteignen an einem Wohnhaus an der Karl-Marx-Allee in Berlin Friedrichshain. (Bild: imago/Ipon)
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Enteignen fürs Gemeinwohl?

In den vergangenen Monaten hat sich die hitzige Atmosphäre zwischen Mietern und Immobilienkonzernen in Berlin verschärft. Am Pranger stehen Unternehmen wie die "Deutsche Wohnen", die mit ihrer Mietpreispolitik die Gentrifizierung in der Stadt vorantreiben. Das meinen zumindest die Organisatoren der Bürgerinitiative "Deutsche Wohnen enteignen", die am Samstag mit ihrer Unterschriftensammlung beginnen. Wir beleuchten das Thema in dieser Woche von allen möglichen Richtungen.