Kajakfahrer Denis Gargaud jubelt
Bild: imago/Sven Simon

- Sport: Ungeahnte Ängste und ekstatisches Glück

In dieser Woche befasst sich Inforadio mit Lust und Frust beim Sport - jeden Tag gibt es dazu Interviews, Beiträge und Hintergründe. Einer, der sich mit den Höhen und Tiefen des Sports besonders gut auskennt, ist der Schriftsteller Ilija Trojanow. Für ein Buch hat er alle olympischen Sportarten ausprobiert und weiß wie man den inneren Schweinehund besiegt. Stephan Ozsvath hat mit Trojanow über seine Erfahrungen gesprochen. 

Im Jahr 2016 hat Ilja Trojanow das Buch "Meine Olympiade" geschrieben. Dafür probierte im Selbstversuch 80 olympische Disziplinen aus. Den Schweinehund musste er nur bei einigen Disziplinen bezwingen - "manche sind ja das reinste Vergnügen", sagt er.

Beim Turmspringen hätten ihn aber ungeahnte Ängste erwischt. "Da war auf einmal eine Wand." Diese "Wand" erlebte er auch beim Mountainbiking: "Da hatte ich plötzlich eine absolute Paralyse. Es war so steil und links ging es etwa 100 Meter runter. Ich konnte einfach nicht mehr." Das seien die Momente gewesen, in denen er tatsächlich an seine Grenzen kam.

Anderseits erlebte er sehr glückliche Momente - er spricht von einer "ekstatischen Beglückung und Vertiefung, bei denen ich ein Reservoir an Glückseligkeit entdeckt habe, von dessen Existenz ich nichts wusste". Das sei ihm zum Beispiel beim Bogenschießen so gegangen, das ihn in eine konzentrierte, medidative Stimmung versetzte.

Ilja Trojanow - Schriftsteller, Übersetzer und Verleger (Bild: imago/teutopress)
Ilja TrojanowBild: imago stock&people

Sport und Literatur haben viel gemeinsam

Das interessanteste Gespräch, das er jemals über Sport geführt habe, sei mit Dieter Baumann gewesen - einem legendären deutschen Langstreckenläufer und Olympiasieger. Mit ihm habe er sich einst in Tübingen über die Gemeinsamkeiten und Unterschiede zwischen Literatur und Sport unterhalten. "Wir haben fast nur Gemeinsamkeiten entdeckt", erzählt Trojanow.

Dazu gehörten die tägliche Disziplin, aber auch etwas Metaphysisches: "Sich eine Art Beharrlichkeit des Daseins einzurichten". Damit meint Trojanow, sich von den Flauten und Gezeiten des Alltags frei zu machen und seinem manchmal auch etwas entrückten Ziel entgegenzuschreiten.

Er könne jedem nur empfehlen, eine neue Sportart auszuprobieren, sagt Trojanow. "Die Lernkurve ist extrem steil. [...] Die ersten Wochen und Monate sind unglaublich befridigend, weil man eine völlig neue Welt kennenlernt."  

Soziale Unterschiede fallen weg

"Die Frage, welche Sportart zu einem passt, hängt entscheidend davon ab, wie gut man sich selbst kennt", sagt der Schriftsteller. Manche Menschen hätten wenig Geduld und bräuchten viel Dynamik - da würden sich Schießen, Badminton oder Tischtennis eignen. Einige würden das Mannschaftsgefühl mögen, andere seien lieber allein unterwegs.

"Bei Ausdauersportarten muss man schon die Zähne zusammenbeißen können", meint Trojanow. "Man muss das Sitzfleisch haben." So sei das beispielsweise beim Radsport oder bei Langstreckenläufen. Für ein einziges, eher kurzes Rennen müsse man in den Monaten davor tausende Kilometer radeln.

Bei seinem Selbstversuch erlebte Trojanow in den unterschiedlichen Sportarten auch verschiedene Kulturen - etwa im Verhältnis zwischen Schüler und Lehrer. Besonders beeindruckten ihn seine Erfahrungen beim Boxen in einem berühmten New Yorker Sportstudio in Brooklyn.

Dort seien keine Unterschiede bei der Herkunft der Menschen gemacht worden - es zählten allein das Training und der Sport. "Manche Sportarten bieten egalitäre Räume, die es sonst in der Gesellschaft - vor allem in den USA - überhaupt nicht gibt." Da er selbst beim Training alles gab, wurde er schließlich sogar von ehemaligen Box-Weltmeistern anerkennend angesprochen.

Wildwasser-Kajak: "Wie die Reise des Lebens an einem Tag"

Ob es beim Sport um Leistung und Selbstoptimierung geht, hängt laut Trojanow auch sehr von der Sportart ab. So seien "verspielte" Disziplinen wie Badminton, Fechten oder Bogenschießen nicht so anfällig dafür, Ausdauersportarten aber schon.

"Und es gibt ja ganz erstaunliche Leute", sagt der Schriftsteller. "Die haben in ihrem Sport tatsächlich ihren Lebenssinn gefunden." Für sie sei der Sport wichtiger als etwa der berufliche Alltag - "ich habe in den Clubs mehrere solcher Leute kennengelernt."

Von seiner Selbsterfahrung sind Trojanow gleich mehrere Sportarten erhalten geblieben, die er heute noch praktiziert: Rudern, Bogenschießen, Boxen und Radfahren. Von der Leidenschaft und Euphorie her sei ihm aber das Wildwasser-Kajakfahren am wichtigsten: "Das ist wie die Reise des Lebens an einem Tag."