#dasbrauchtdeutschland - Sechs Wählerinnen und Wähler - "Ich traue dieser Frau nicht mehr"

Deutschland könne einen Ruck gebrauchen, etwas Neues, davon ist Danilo Lucas überzeugt. Der Bäckermeister aus Herzberg glaubt, dass die alten Parteien es nicht mehr schaffen. Vom Bundestagswahlkampf hat er sich deshalb schon im Frühjahr wenig erhofft. Inforadio-Reporter Torsten Sydow hat ihn jetzt ein weiteres Mal besucht:

Bäckermeister Danilo Lucas nickt. Ja, ein paar Diskussionssendungen über die Bundestagswahl hat sich der Herzberger im Fernsehen nicht entgehen lassen. Und er hat im Radio auch Politikern und ihren Wahlversprechen bei der Arbeit in seiner Backstube zugehört. Aber irgendwie berührt? Nein, das hat ihn der Wahlkampf bis heute nicht: "Es ist ein bisschen sehr lasch", sagt er. "So richtig überzeugend fand ich kaum jemanden von den etablierten Parteien. Die erzählen zu viel Allgemeines, zu viel Blabla."

Sein Blut in Wallung gebracht haben in den vergangenen Woche stattdessen die Bosse von Volkswagen, BMW, Daimler und Co - auch wenn er selbst nicht mit Dieselmotor-Verkaufswagen rings um Herzberg unterwegs ist: "Der Diesel-Skandal, die Verflechtung zwischen Politik und Wirtschaft, also das ist eine ganz riesengroße Sauerei. Ein Schwindel ohnegleichen."

Mehr konkrete Ansagen hätte er gut gefunden

Und dieser 'Schwindel ohnegleichen' habe dem Ansehen von CDU-Bundeskanzlerin Angela Merkel den Rest gegeben, urteilt Lucas mit einem Blick auf die Dinkelbrote, die im Ofen nicht zu knusprig werden dürfen: "Also ich trau der Frau nicht mehr. Sie kommt mit der Wirtschaft nicht klar, mit dem Diesel, mit der Umweltpolitik – das sind alles Sachen, wo sie sich in irgendwas verrannt hat, was sie jetzt noch unbedingt durchsetzen will. Ich denke mal, sie wird dieses Land noch in den Ruin führen. Das ist meine Meinung dazu."

Bäcker Lucas, der sich trotz Hilfe durch die Arbeitsagentur vergeblich um die Einstellung einer Verkäuferin bemüht hat und nun einer Nachbarin zum Job verhilft, hätte sich im Wahlkampf mehr Aussagen über moderne Schulen und kostenlose Hortbetreuung gewünscht. Und vor allem klare Ansagen, wie es mit der Aufnahme und Integration von Flüchtlingen weitergehen soll:

"Unkontrolliert die Leute reinlassen, die nicht mal Pässe haben, man weiß nicht, wer es ist – man hat ja gesehen, was da passiert", ärgert er sich. "Da sollte wirklich ein bisschen strenger kontrolliert werden. Ich meine, wenn die Gesetze da sind, soll man sie auch anwenden. Nicht irgendwas willkürlich festlegen und sagen, kommt alle her – und alles ist gut."

Hinterher sei doch wieder alles im alten Trott

Bei aller Kritik an der seiner Meinung nach ungelösten Flüchtlingssituation sagt Lucas aber auch, dass er sich einen Geflüchteten als Lehrling in seiner Herzberger Backstube vorstellen kann:  "Wenn er sich gut einfügen kann, die Sprache spricht und willig ist – wenn es nicht anders geht, würde ich dann vielleicht doch mal den Weg gehen oder es zumindest versuchen. Oder ihn auch erstmal als Praktikant testen."

Ob es zu so einem Test kommt, ist offen. Sicher ist: Danilo Lucas wird zur Bundestagswahl gehen und abstimmen. Auch wenn danach, wie er fürchtet, nicht der nötige Ruck durch Deutschland geht: "Wenn erstmal gewählt ist und die Regierung feststeht, dann verlaufen sie sich schnell wieder im altenTrott. Da sind dann viele Sachen, die wieder vergessen werden. Das fürchte ich. Das war in der Vergangenheit meist so und es wird sich nicht viel ändern."

Übersicht

#dasbrauchtdeutschland - sechs Wählerinnen und Wähler

Am 24. September wird gewählt. Wie wird die neue Regierung aussehen? Viele Bürger machen ihrem Unmut über Politik laut und öffentlich Luft. Inforadio begleitet Menschen in Berlin und Brandenburg in den Monaten vor der Abstimmung. Sechs Wählerinnen und Wähler: Die Entscheidung.