Klaus Töpfer, ehemaliger Bundesumweltminister (BIld: rbb/Freiberg)
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10 Ideen - Das braucht Deutschland - Idee 5: Umweltexperte Klaus Töpfer

Professor Klaus Töpfer ist so etwas wie "Mister Nachhaltigkeit", auf jeden Fall hat er Nachhaltigkeit zu seinem Lebensthema gemacht. Ob als deutscher Minister im Umweltressort, im Bauressort oder als Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen. Bis heute arbeitet er als Berater der Bundesregierung am Atomausstieg und am Einstieg in die nachhaltige Energiewirtschaft.

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Christian Wildt: Aber die Bürger müssen dafür auch in der Lage sein, das zu verstehen, das zu übersehen. Sie müssen vielleicht auch etwas lernen. Kann man das überhaupt noch? So viele Entwicklungen passieren gleichzeitig. Die Energie, da wird im Moment gar nicht so viel drüber diskutiert, die Energiewende oder, was sie im Moment befasst, der Ausstieg aus der Atomwirtschaft, mit den Folgen, die so risikostark sind. Was die allermeisten Menschen betrifft, ist doch vor allen Dingen, das was in den letzten Monaten, Jahren passiert ist. Es sind viele Hunderttausende neu nach Deutschland gekommen, es hat neue Risiken gegeben. Der Jahreswechsel war zum Teil erschreckend mit einem Terroranschlag hier in der Hauptstadt. Das sind Dinge, wo die Menschen doch das Gefühl haben, jetzt muss schnell reagiert werden. Ich habe gefragt, hat man da die Zeit im Handeln, hat man die Zeit sich schlau zu machen, um mitreden zu können?

Klaus Töpfer: In solchen wirklich unmenschlichen Entwicklungen, Taten, wie es hier dieser schreckliche Anschlag in Berlin war, da kann man nicht abwarten, da muss man sofort handeln, das ist ja völlig richtig. Wenn wir irgendwo eine Hungersnot haben, können wir nicht sagen: Wir müssen Ursachen der Hungersnot bekämpfen. Da müssen wir erst einmal den Hunger bekämpfen und zwar direkt. Aber wenn wir dann nur dabei bleiben, dann haben wir das Problem nicht gelöst, dann haben wir uns hier mit einer Aufgabe hoffentlich erfolgreich beschäftigt. Aber die Frage bei Flüchtlingen zum Beispiel bleibt eben: Was bringt den Menschen dazu, sich auf die Flucht zu begeben? Wie ist dies in den dortigen Gesellschaften, die Bürgerkriege grausamster Art erfahren? Denken sie nur einmal an Aleppo und all dies zurück. Wie ist es bei den Menschen, die in Afrika leben und bei denen das veränderte Klima ihre Lebensbedingungen noch mehr belasten als zuvor? Ich war acht Jahre lang mit dem Umweltprogramm der Vereinten Nationen mit meinem Hauptquartier in Nairobi in Kenia. Ich habe acht Jahre lang Afrika miterleben dürfen. Und dann weiß man, dass dieses Dinge sind, wenn sich das nicht ändert, dann werden wir ganz andere Anpassungsverfahren sehen, die bei uns größte, größte Schwierigkeiten auslösen werden. Deswegen ist die aktuelle Bekämpfung von Hunger jetzt zwingend notwendig. Also nicht zu sagen, das schieben wir mal auf die lange Bank, das setzen wir mal aus, nein nein, heute muss gehandelt werden in solchen Fällen, aber es muss alles daran gesetzt werden, dass solche Fälle an der Wurzel genauso mit bekämpft und verändert werden. Fluchtursachen zu identifizieren und sie zu bewältigen ist auch eine zentrale und auch durchaus schnell in Angriff zu nehmende Maßnahme.

Klaus Töpfer im Studio mit Christian Wildt (Bild: Dieter Freiberg)
Der ehemalige Bundesumweltminister Klaus Töpfer im Gespräch mit Inforadio-Redakteur Christian Wildt (Bild: rbb/Freiberg)Bild: Klaus Dieter Freiberg

Christian Wildt: Was sagen Sie den Bürgern, die da zunehmend misstrauisch gucken und sagen: "Was geht mich jetzt Afrika an? Warum sollen die alle hierher kommen, die können wir gar nicht versorgen? Was habe ich damit zu tun?" Was antworten Sie diesen Menschen?

Klaus Töpfer: Wir sind in einer globalen Abhängigkeit. Wir freuen uns in Deutschland darüber, dass wir Exportweltmeister sind. 350 Milliarden Dollar Überschuss, unsere Exporte zu den Importen. Das sind die Exporte, die Güter und Dienstleitungen, die wir in andere Länder verkaufen können, die bei uns hier Arbeitsplätze erhalten, die bei uns Wohlstand begründen. Und das können wir nur dort machen, wo wir Stabilität haben. Eine destabilisierte Welt wird solchen Nationen mit hoher Exportintensität besonders Kopfschmerzen machen müssen. Wir sehen es jetzt, wenn Herr Trump hingeht und sagt: Wir schotten Amerika ab. Dann kannst du mal fragen: Was exportieren wir jetzt dorthin, was exportieren die zu uns? Welche Konsequenzen für Arbeitsplätze hat das? Also nur zu sagen, ich bin hier, der Rest geht mich nichts an, das konnte man vielleicht vor 80 oder 100 Jahren noch sagen. Was da hinten in der Türkei oder in jener Welt passiert, was juckt mich das? Das ist heute der Nachbar daneben, die Entfernung nach Afrika sind bei der kürzesten Stelle bei Gibraltar sichtbare Dimensionen. Da können Sie auch keine Mauer bauen, das geht nicht. Ganz davon abgesehen, dass jede Mauer bisher sich als eine Verschlimmerung von Problemen und nicht als eine Lösung von Problemen ergeben hat. Dafür können wir in Deutschland, gerade auch hier in Berlin, Zeugnis abgeben. Also, ich bin schon sehr der Meinung, das, was dort passiert, ist ganz unmittelbar ein Beitrag für uns zu einer Friedenspolitik in der Welt. Und dass Frieden Voraussetzung für Entwicklung, auch für  eigene Perspektiven, eigene Zukunft darstellt, ich glaube, dass kann keiner in Frage stellen. Sowas lässt sich vielleicht schwer überall erklären. Aber ich muss ihnen ganz ehrlich sagen, ich bin ja nun wirklich recht viel unterwegs. Wo man es anspricht, wird es im Saal immer ganz ruhig. Da kriegst du ganz viel Mitdenken, fast körperlich spürbar. Und da gibt es natürlich immer und immer wieder diejenigen, die sagen - wir wollen in so etwas gar nicht herein geführt werden. Warum? Lasst uns da bitte in Ruhe. Wenn, macht ihr das! Das ist wirklich nicht die Lösung. Ein großer Soziologe, Ulrich Beck, hat mal gesagt: Wenn wir die Gesellschaft dafür verantwortlich machen, ist das kollektive Verantwortungslosigkeit, dann ist es keiner.

Kommentar

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4 Kommentare

  1. 4.

    Es könnte ja auch sein, dass Donald Tramp gar keine Mauer bauen will, sondern eine Mauer, die als Rückwand von verschiedenen Gebäuden dient, z.B. Mc. Donald-Restaurants, Hotels, Banken, Lebensmittel-Geschäfte, Apotheken etc. und Anlagen zur Gewinnung von Solar-Energie.

  2. 3.

    Herr Grunert in Bestensee: Welche Argumentation soll mit Ihrer Wortmeldung gestützt werden? Was will uns der Dichter mit dem Scholl-Latour-Zitat sagen? Warum Kalkutta? Fragen über Fragen...

  3. 2.

    Wäre es zu viel verlangt, wenn Herr Wildt seine unsäglich besserwisserischen, Augenhöhe begehrenden Kommentar-Fragen auf präzise und möglichst intelligente Fragen reduzierte? Es gibt nämlich unbestreitbar ganz wenige Interviews, in denen die Fragen wichtiger sind als die Antworten. Oder, um es mit Marcel-Reich-Ranicki zu sagen: "Oh, ich sehe, Sie haben Antworten mitgebracht - bitte antworten Sie weiter!"

  4. 1.

    Ja, jeder kann einen Beitrag leisten: Müll vermeiden, Umwelt schonen, seinen Lebensunterhalt selbst verdienen. Leider ist der Anteil derjenigen im Land, die genau das nicht tun, seit zwei Jahren sprunghaft gestiegen. Das wirkt stark demotivierend. „Wer Kalkutta aufnimmt, rettet nicht Kalkutta, sondern wird selbst zu Kalkutta“ Peter Scholl-Latour. Und wer soll dann noch die hehren Ziele wie Energiewende, Umweltschutz und Kampf gegen Hunger und Elend in der Welt weiterverfolgen und finanzieren?

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10 Ideen - Das braucht Deutschland

Zehn kluge Köpfe beziehen im Inforadio Stellung zur gesellschaftlichen Lage. Künstler, Publizisten und Wissenschaftler wie Anna Thalbach, Ulrich Wickert, Nico Hofmann, Smudo, Klaus Töpfer oder Sineb El Masrar formulieren ihren persönlichen Standpunkt: Was braucht Deutschland? Offenheit oder Abgrenzung, Miteinander oder Konfrontation? Das Ziel: Eigene Ideen formulieren, statt sichauf gängige Parolen zu verlassen. Hier auf inforadio.de können Sie alle Interviews nachhören, nachlesen und kommentieren!