Schauspielerin Anna Thalbach (Bild: rbb/Freiberg)
Bild: Klaus Dieter Freiberg

10 Ideen - Das braucht Deutschland - Idee 4: Schauspielerin Anna Thalbach

Die Schauspielerin Anna Thalbach wurde in eine Ostberliner Theater-Familie hineingeboren, wuchs dann im Westteil auf, nahm schon als Kind Theaterluft auf und engagierte sich als junge Frau auf linken Demos. Seit langem ist sie erfolgreich auf Bildschirm und Bühne zu sehen, auch an der Seite ihrer Mutter Katharina, inzwischen auch der Tochter Nellie. Sie spricht mit Christian Wildt darüber, dass Berlin seine Bescheidenheit verloren hat und dass uns allen ein bisschen mehr geistige Hygiene gut tun würde.

Seite 3 von 3

Christian Wildt: Veränderung braucht Schutz für die Leute, die da sind, die sich, die in die Veränderung mit eingehen.

Anna Thalbach: Es braucht ein Maß. Ja es muss, es soll ja sich verändern. Es soll ja wachsen, aber ohne das Alte komplett abzuroden: Jetzt sind wir da. Platz da. Wir haben mehr Geld. Also das kann’s nicht sein. Das finde ich nicht okay und das nehme ich Berlin auch übel. Dass Berlin da nicht aufgepasst hat. Der Prenzlauer Berg, ist nicht mehr der Prenzlauer Berg. Komplett nicht. Angefangen von unangeleinten Hunden, alle sind ja Hundeflüsterer, und von bärtigen Männern mit engen Jeans, die aufm Bürgersteig nur fahren, weil sie sich auf der Straße nicht trauen.

Christian Wildt: Mit'm Fahrrad?

Anna Thalbach: Mhm. Wo ich dann immer denke "Ey Alter das ist Berlin und nicht Bullerbü". Wir sind vier Millionen, da muss man bisschen, ein bisschen, bisschen, nur ein bisschen! Aber das fällt denen nicht ein, also das finde ich schon traurig. Dass da so, also so dieses Atzige… und wenn man den Leuten mal was sagt, auch wenn man die mal anspricht oder so, dann werden die so unangenehm, aber so komisch unangenehm. Nicht dieses Berliner "Ey, sach mal biste bescheuert, kannste mal det machen, öh aber was quatsch mich doch ni an, haste keen Frisör“. Also so, dass dieses liebevolle Anmaulen, das machen die nicht, sondern die werden gleich ganz ganz böse, weil die sagen: "Pass mal auf hier, ick hab hier  8000 Euro den Quadratmeter hinjelegt, du hast mir gar nix zu sagen." Aber das dann natürlich nicht in dem Akzent.

Christian Wildt: Eigentlich wär n Rüffel fällig, ne? Eigentlich wär so ein Erzieher fällig. Ist das wirklich so?

Anna Thalbach: Ja.

Christian Wildt: Ist das für Sie jetzt auch so ne Frage, Sie haben selber Erfahrungen gemacht?

Anna Thalbach: Naja es wär so ein neuer Rabbi oder Schamane, oder ich weiß nicht es gibt ja viele Kulturen, in denen es verschiedene Namen dafür gibt. Mentor? Wie sagt man dazu? Ja.

Christian Wildt: Geht die Gesellschaft vielleicht, nochmal so ein bisschen abstrakter gefragt, geht die zu weit auseinander? Und man kriegt das nicht mehr zusammen und dann muss irgendeiner das wieder zusammenführen, wie soll denn das passieren?

Anna Thalbach: Ich glaube, es muss irgendwas passieren. Wie so ein Ereignis. Also vielleicht so was Ähnliches wie Trump. Oder vielleicht ist Trump schon der Beginn des Ereignisses, was irgendwie das Bewusstsein neu schärft. Ich glaube, bei geistiger Hygiene, wenn man sich wieder darauf besinnen könnte, wäre schon ganz kleines Stück Arbeit gemacht. Weil man dann wieder ein anderes Verständnis für die Dinge und die Zusammenhänge entwickelt. Also die Leute sollten sich wieder ein bisschen besinnen. So auf Bildung auch. Also ich habe das Gefühl wir werden auch dööfer, und durch dööfer natürlich auch limitierter in unseren Lösungswegen, weil wir gar nicht so viel erfassen und begreifen und geschweige denn formulieren können. Und nach dem Formulieren dann auch noch in die Aktion umsetzen können. Und um das alles zu schulen, an sich selbst, ist Bildung schon ein verdammt gutes Mittel.

Christian Wildt: Gutes Schlusswort. Anna Thalbach vielen Dank.

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Bitte beachten Sie unsere Richtlinien für Kommentare:Kommentar-Regeln

6 Kommentare

  1. 6.

    Berliner Schnauze, Prolligkeit, Boulevardtheater.... alles in einen Topf und umrühren.
    Die wenigsten Berliner haben etwas gegen Veränderungen, wenn ich aber sehe wie börsennotierte Immobilienunternehmen die bald eine ähnliche Marktkapitalisierung wie Facebook und Google haben sich in Berlin austoben und mal eben mit großen Geldkoffern shoppen gehen und die soziale Schieflage in der Stadt noch verstärken dann kann das nicht gesund sein. Nur nostalgische Sentimentalitäten wenn man das anprangert?

  2. 5.

    Als geborener Rheinländer länger als Frau Anna in Berlin, ist mir die Berliner "Bescheidenheit" noch nie aufgefallen, eher die grossspurige Mauligkeit des 'mir kann keener', und das nicht erst heute. Und mit der Prolligkeit, die Frau Anna wohl als Merkmal Neureicher oder was sie dafür hält missversteht, kennen sich die Thalbachs auch als Stilmittel im Theater doch bestens aus, oder meinen sie eher intellektuellen Klamauk? Ach du weinerliche Unschuld, verloren in retrospektiver Nostalgie.

  3. 4.

    Berlin hat das Gebäude verlassen. Ich glaube nicht das Hildegard Knef 2017 noch Sehnsucht nach dem Kurfürstendamm hätte. Der Charme der City West ist völlig erloschen. Kudamm Karree, Loretta im Garten, Kudamm Eck, Trödelmarkt, Straßenhändler, Kudorf, Marmorhaus, Bowlingbahn, Holst am Zoo, Kioske, Würstchenbuden etc.... alles ist dahin. Was noch da ist kann man sich nicht mehr leisten. Disneyland für Touris. Die Gedächtniskirche im Würgegriff von 5 Sterne Hotel Hochhäusern. Traurig, traurig.

  4. 3.

    Anna Thalbach hat so was von recht. Ich bin Jahrgang 1967 und in Berlin Charlottenburg - Wilmersdorf aufgewachsen. Ich bekomme das Kotzen wenn ich die Herren Investoren sehe wie sie in unsere Stadt einfallen und diese für Normal Berliner unbezahlbar machen. Die Politik hat darauf keine Antworten b.z.w. ist sogar ein Teil des Problems. Viele Ur Berliner sind nur noch zwei Mieterhöhungen davon entfernt aus ihrer Stadt vertrieben zu werden. Berlin wird immer mehr zu einen Klub der Millionäre.

  5. 2.

    Woher kommt die Verwunderung? Wenn alle Grenzen aufgehoben werden und man das Land preisgibt dem freien Spiel der Märkte, den Finanzinvestoren, der organisierten Kriminalität, den Schleppern, reisenden EU-Räuberbanden, EU-Schuldenunion, ungeregelter und unbegrenzter Zuwanderung, der Bildung von Parallelgesellschaften, dem Multikulturalismus, Genderwahn – wen wundert's dann noch, wenn man sich fremd fühlt im eigenen Land. Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.

  6. 1.

    Als Anregung zum Thema - Betätigungsfeld Mietpreisbremse.: http://www.mieterbund.de/startseite/news/article/36845-mietpreisbremse-wirkt-sie-oder-wirkt-sie-nicht.html?cHash=0991d675d336bfb6aa93ecacc3af0751
    Vorschlag in die Politik,die Mietpreisbremse zeitnah zu überarbeiten. Eine Taskforce „Mietwucher“ einrichten und bei Portalen wie ImmobilienScout24 nach überhöht angebotenen Wohnungen suchen und die rechtswidrig agierenden Vermieter mit Bußgeldern abmahnen. Idee?

Zurück zur Übersicht

10 Ideen - Das braucht Deutschland (Bild: rbb/Freiberg/Grischek)
rbb/Freiberg/Grischek)

10 Ideen - Das braucht Deutschland

Zehn kluge Köpfe beziehen im Inforadio Stellung zur gesellschaftlichen Lage. Künstler, Publizisten und Wissenschaftler wie Anna Thalbach, Ulrich Wickert, Nico Hofmann, Smudo, Klaus Töpfer oder Sineb El Masrar formulieren ihren persönlichen Standpunkt: Was braucht Deutschland? Offenheit oder Abgrenzung, Miteinander oder Konfrontation? Das Ziel: Eigene Ideen formulieren, statt sichauf gängige Parolen zu verlassen. Hier auf inforadio.de können Sie alle Interviews nachhören, nachlesen und kommentieren!