Schauspielerin Anna Thalbach (Bild: rbb/Freiberg)
Bild: Klaus Dieter Freiberg

10 Ideen - Das braucht Deutschland - Idee 4: Schauspielerin Anna Thalbach

Die Schauspielerin Anna Thalbach wurde in eine Ostberliner Theater-Familie hineingeboren, wuchs dann im Westteil auf, nahm schon als Kind Theaterluft auf und engagierte sich als junge Frau auf linken Demos. Seit langem ist sie erfolgreich auf Bildschirm und Bühne zu sehen, auch an der Seite ihrer Mutter Katharina, inzwischen auch der Tochter Nellie. Sie spricht mit Christian Wildt darüber, dass Berlin seine Bescheidenheit verloren hat und dass uns allen ein bisschen mehr geistige Hygiene gut tun würde.

Seite 2 von 3

Christian Wildt: Wann hatten Sie denn das letzte Mal das Gefühl, dass Sie bei einer politischen, für Sie wichtigen, Entscheidung so richtig dabei waren? So richtig teilhatten, mitentschieden haben?

Anna Thalbach: Gar nicht.

Christian Wildt: Auch nicht bei einer Wahl?

Anna Thalbach: Naja wie gesagt, nee kann ich mich nicht erinnern.

Christian Wildt: Ist das ein gutes Zeichen?

Anna Thalbach: Weiß ich nicht. Keine Ahnung. Ich weiß nicht wie man das misst, aber, also ich weiß nicht woran ich mich erinnere.

Christian Wildt: Sind Sie denn so ein bisschen entfremdet? Darauf will ich hinaus. Dass man tatsächlich, ich habe eben schon diesen Begriff "alternativlos" benutzt, dass man denkt: Naja das läuft doch immer in die gleiche Richtung und im Grunde genommen, habe ich gar nicht mehr so viel teil?

Anna Thalbach: Na ich weiß halt nicht, vielleicht würde ich auch auf die Straße gehen. Inzwischen bin ich natürlich ein bisschen älter und ich bin auch Mutter. Inzwischen ist mein Kind auch groß, also allzu sehr kann ich mich darauf nicht

Christian Wildt: Könnte ja mitgehen?

Anna Thalbach: Richtig. Aber dann haste grad nen Dreh oder musst Theaterspielen, dann hast du – also ich hab ja auch auf den Demos auf denen ich war, noch aufs Maul gekriegt von der Polizei und das will man dann irgendwann nicht mehr.

Christian Wildt: Wo haben Sie Einfluss? Wo haben wir als Bürger Einfluss? Wo können wir den leben?

Anna Thalbach: Wir haben den Einfluss im Alltag. Das meinte ich auch vorhin, dass man einfach versucht seine innere Haltung zu finden zu den Dingen und nicht aufzugeben, sondern versucht einfach das, das "Richtige", das ist natürlich ambivalent und auch dehnbar der Begriff, aber das vorleben. Anders erzieht man auch Kinder nicht und auch Erwachsene nicht.

Die Schauspielerin Anna Thalbach mit Christian Wildt (Bild: Dieter Freiberg)
Schauspielerin Anna Thalbach im Gespräch mit Inforadio-Redakteur Christian Wildt (Bild: rbb/Freiberg)Bild: Klaus Dieter Freiberg

Christian Wildt: Ist die Familie ein Vorbild?

Anna Thalbach: Ja. Natürlich. Da fängt das an.

Christian Wildt: Wie wichtig ist die Familie für Sie?

Anna Thalbach: Für mich persönlich? Extrem wichtig. Also ich meine wir lieben uns alle und wir haben nen großen, großen Zusammenhalt. Die kleinste Zelle des Staates ist die Familie.

Christian Wildt: Oder der Gesellschaft?

Anna Thalbach: Oder der Gesellschaft. Also kannst das auch größer machen, ja, also insofern ist natürlich da der Anfang. Aber das ist natürlich ein sehr, sehr dünnes Eis. Man kann ja nicht den Menschen das vorschreiben, wie sie ihre Kinder erziehen. Also ich meine, abgesehen davon gibt’s auch da kein Konzept, weil der Mensch ist verschieden. Das eine Kind wird ganz toll gedeihen, wenn du es möglichst in Ruhe lässt, weil das möchte nicht unter Druck. Und es ist dann besser für das Kind. Das andere Kind ist super begabt, es braucht aber nen verdammten Arschtritt, weil sonst kommt es nicht aus'm Quark. Nicht jedes Auto tankt da gleiche Benzin und so ist das glaube ich mit Menschenkindern auch. Und deswegen ist es immer so schwierig zu sagen: Was ist richtig, was ist falsch, wer entscheidet das, wer misst mit welcherlei Maß?

Christian Wildt: Das ist so das was Berlin ausmacht. Auf der Erziehungsseite, aber auch im Zusammenleben. Das ist doch vielleicht auch so eine Werkstatt fürs Leben oder wie empfinden Sie diese Stadt? Das ist nicht nur hässlich und schön, sondern das ist fremd oder befremdlich und einem Nah und das kennt man, das ist bekannt. Und gleichzeitig, man hat das Gefühl diese Stadt die eiert und quietscht und dann geht’s doch immer irgendwie weiter.

Anna Thalbach: Na Berlin ist ne zähe Pflanze halt. So Unkraut vergeht nicht, wie man so schön sagt.

Christian Wildt: Ist das Vorbild?

Anna Thalbach: Für wen? Für andere?

Christian Wildt: Für unsere Gesellschaft, um zu zeigen, es geht irgendwie weiter?

Anna Thalbach: Ich weiß nicht, geht‘s nicht immer irgendwie weiter?

Christian Wildt: Auch wenn die Dinge, die nicht zusammenpassen aufeinander treffen? Das ist doch ein Beispiel hierfür.

Anna Thalbach: Ja, aber ich weiß nicht ob das jetzt total berlinspezifisch wahrzunehmen ist. Ich glaube, dass das in Großstädten passieren kann. Ich meine New York ist auch nicht Trump. Das ist jetzt nicht berlinspezifisch. Also, das was ich an Berlin geliebt habe, das Bescheidene, ist einfach nicht mehr da. Ich bin mit einem einzigen Bewohner in meinem Haus die einzige Berlinerin. Mein Kioskbesitzer wird fotografiert, weil er berlinert, von den Zugezogenen. Also ich, wenn ich mit meinen Hunden draußen bin und vor der Zionskirche stehe, dann denke ich: Keiner von den Menschen, die davor gestanden haben, vor der Zionskirche, um für die Freiheit dieser Stadt zu kämpfen, dürfen noch da wohnen. Sind alle rausgeekelt worden. Das ist ja okay, dass Leute in die Stadt kommen, das finde ich voll in Ordnung, von mir aus auch Schwaben, aber in nem Maß. Und dass ne Politik da Berlin, mit seinen Berliner Bürgern, nicht so ein bisschen mehr schützt und da nicht ein bisschen in der Lage ist, da ein Gleichgewicht zu schaffen, das verstehe ich nicht. Ich verstehe nicht, warum bei uns drei Wohnungen von Leuten bewohnt werden, die nur sechs Monate im Jahr da sind. Weiß ich nicht.

Kommentar

Bitte füllen Sie die Felder aus, um einen Kommentar zu verfassen.

Kommentar verfassen
*Pflichtfelder

Bitte beachten Sie unsere Richtlinien für Kommentare:Kommentar-Regeln

6 Kommentare

  1. 6.

    Berliner Schnauze, Prolligkeit, Boulevardtheater.... alles in einen Topf und umrühren.
    Die wenigsten Berliner haben etwas gegen Veränderungen, wenn ich aber sehe wie börsennotierte Immobilienunternehmen die bald eine ähnliche Marktkapitalisierung wie Facebook und Google haben sich in Berlin austoben und mal eben mit großen Geldkoffern shoppen gehen und die soziale Schieflage in der Stadt noch verstärken dann kann das nicht gesund sein. Nur nostalgische Sentimentalitäten wenn man das anprangert?

  2. 5.

    Als geborener Rheinländer länger als Frau Anna in Berlin, ist mir die Berliner "Bescheidenheit" noch nie aufgefallen, eher die grossspurige Mauligkeit des 'mir kann keener', und das nicht erst heute. Und mit der Prolligkeit, die Frau Anna wohl als Merkmal Neureicher oder was sie dafür hält missversteht, kennen sich die Thalbachs auch als Stilmittel im Theater doch bestens aus, oder meinen sie eher intellektuellen Klamauk? Ach du weinerliche Unschuld, verloren in retrospektiver Nostalgie.

  3. 4.

    Berlin hat das Gebäude verlassen. Ich glaube nicht das Hildegard Knef 2017 noch Sehnsucht nach dem Kurfürstendamm hätte. Der Charme der City West ist völlig erloschen. Kudamm Karree, Loretta im Garten, Kudamm Eck, Trödelmarkt, Straßenhändler, Kudorf, Marmorhaus, Bowlingbahn, Holst am Zoo, Kioske, Würstchenbuden etc.... alles ist dahin. Was noch da ist kann man sich nicht mehr leisten. Disneyland für Touris. Die Gedächtniskirche im Würgegriff von 5 Sterne Hotel Hochhäusern. Traurig, traurig.

  4. 3.

    Anna Thalbach hat so was von recht. Ich bin Jahrgang 1967 und in Berlin Charlottenburg - Wilmersdorf aufgewachsen. Ich bekomme das Kotzen wenn ich die Herren Investoren sehe wie sie in unsere Stadt einfallen und diese für Normal Berliner unbezahlbar machen. Die Politik hat darauf keine Antworten b.z.w. ist sogar ein Teil des Problems. Viele Ur Berliner sind nur noch zwei Mieterhöhungen davon entfernt aus ihrer Stadt vertrieben zu werden. Berlin wird immer mehr zu einen Klub der Millionäre.

  5. 2.

    Woher kommt die Verwunderung? Wenn alle Grenzen aufgehoben werden und man das Land preisgibt dem freien Spiel der Märkte, den Finanzinvestoren, der organisierten Kriminalität, den Schleppern, reisenden EU-Räuberbanden, EU-Schuldenunion, ungeregelter und unbegrenzter Zuwanderung, der Bildung von Parallelgesellschaften, dem Multikulturalismus, Genderwahn – wen wundert's dann noch, wenn man sich fremd fühlt im eigenen Land. Wer nach allen Seiten offen ist, ist nicht ganz dicht.

  6. 1.

    Als Anregung zum Thema - Betätigungsfeld Mietpreisbremse.: http://www.mieterbund.de/startseite/news/article/36845-mietpreisbremse-wirkt-sie-oder-wirkt-sie-nicht.html?cHash=0991d675d336bfb6aa93ecacc3af0751
    Vorschlag in die Politik,die Mietpreisbremse zeitnah zu überarbeiten. Eine Taskforce „Mietwucher“ einrichten und bei Portalen wie ImmobilienScout24 nach überhöht angebotenen Wohnungen suchen und die rechtswidrig agierenden Vermieter mit Bußgeldern abmahnen. Idee?

Zurück zur Übersicht

10 Ideen - Das braucht Deutschland (Bild: rbb/Freiberg/Grischek)
rbb/Freiberg/Grischek)

10 Ideen - Das braucht Deutschland

Zehn kluge Köpfe beziehen im Inforadio Stellung zur gesellschaftlichen Lage. Künstler, Publizisten und Wissenschaftler wie Anna Thalbach, Ulrich Wickert, Nico Hofmann, Smudo, Klaus Töpfer oder Sineb El Masrar formulieren ihren persönlichen Standpunkt: Was braucht Deutschland? Offenheit oder Abgrenzung, Miteinander oder Konfrontation? Das Ziel: Eigene Ideen formulieren, statt sichauf gängige Parolen zu verlassen. Hier auf inforadio.de können Sie alle Interviews nachhören, nachlesen und kommentieren!