- Wird der öffentliche Raum in Berlin immer knapper?

Wie muss man sich die Zukunft des öffentlichen Raums in Berlin vorstellen? Die Zeiten, in denen kleine Strandbars und Clubs wie Pilze aus dem Boden schossen oder wilde Camper ihre Zelte aufschlugen, scheinen vorbei. Magdalena Bienert blickt zusammen mit dem Stadtforscher Jan Dohnke in die Zukunft.

Jan Dohnke und Magdalena Bienert treffen sich an der Spree, dem so genannten Mediaspree-Areal an der Eastside-Gallery. Kaum ein Ort war in den letzten Jahren umstrittener und er ist symptomatisch für das, was gerade in der Hauptstadt passiert, sagt der Stadtforscher. Der Blick schweift auf das große Ungetüm Mehrzweckhalle.

Jan Dohnke: "Wir sehen hier ein Gebiet, was zwar öffentlich betretbar ist, sich aber in privatem Besitz befindet. Da könnte man ja sagen: Hier kann Öffentlichkeit stattfinden und jeder kann hinkommen - aber tatsächlich kann man hier nicht mehr alles machen, was man möchte."

Nur scheinbar öffentliche Räume - heißt das, dass der pure, öffentliche Raum immer knapper wird? So genannte "Gated Communities", geschlossene Wohnkomplexe, sind Schlagwörter der Stunde, sagt Jan Dohnke:

"Ich kann noch nicht erkennen, dass es sich breite Bahnen bricht, aber es ist schon da. Und wenn es jetzt Bereiche mit erhöhter Kriminalität gibt, wie den Görlitzer Park, stellt sich die Frage, inwieweit solche Angebote weiter entstehen werden bei denen man sagen kann: für Leute mit dem entsprechendem Geldbeutel entwickeln wir solche Konzepte, die können dann solche unliebsamen Entwicklungen draußen halten."

Ein Stückchen weiter die Eastside-Gallery an der Wasserseite entlang, wird der Weg jäh durch einen Zaun abgeschnitten. Dahinter Brachland und ein einsamer weißer neuer Wohnkomplex.

Jan Dohnke: "Wir stehen jetzt vor einem Bereich, der weiter bebaut werden soll mit neuen hochpreisigen Wohnungen. Und das war ein großer Konflikt um diese Bebauung. Ursprünglich sollte der Park nämlich auf das gesamte Gebiet verlängert werden, wurde aber vor 15 Jahren beplant und es haben Verkäufe stattgefunden, die nicht mehr rückabgewickelt werden konnten. Und das merkt man immer mehr:  wenn Flächen erstmal privatisiert sind, sind die Möglichkeiten der öffentlichen Hand darauf zuzugreifen sehr stark eingeschränkt auf einen Schlag."

Immobilienspekulation spielt eine ganz große Rolle

Über die Hälfte der superteuren Wohnungen in dem bereits fertigen Komplex finden keine Käufer. In einer Bevölkerungs-Prognose für Berlin ging man von 2007 bis zum Jahr 2030 noch von einem Wachstum von nur rund 170 000 Einwohnern mehr aus.

Eine Zahl, die wir heute schon längst erreicht haben. Inzwischen sind wertvolle Flächen verkauft, die jetzt so dringend benötigt würden. Kleine Lichtblicke gibt es dennoch: Hinter ver.di hat sich eine Baugenossenschaft mit einer wilden Zeltstadt arrangiert. Das Teepeeland, 15 Jurten am Uferweg, ist seit gut drei Jahren Anlaufstelle für Touristen, die kostenfrei Übernachtungen suchen. Die Kommune selbst veranstaltet Kinoabende und Comedyshows. Ein letzter wilder Ort an der Spree. Oder was ist Teepeeland?

"Ein Stückchen Land, das wir übernommen haben, wo wir leben und das wir bebaut haben. Wir kaufen nichts, wir gehen rund um den Block und was wir gebrauchen können schleppen wir rüber und das wird verbaut," sagt der belgische Dauerbewohner Vernon. Und was sagt der Stadtforscher zur Zukunft Berlins, werden uns diese besonderen, wilden Orte erhalten bleiben?

Jan Dohnke: "Diese Orte verschwinden jetzt gerade, einfach weil Berlin in den letzten fünf Jahren so interessant international geworden ist, dass Flächen immer mehr aufgekauft werden. Immobilienspekulation spielt eine ganz große Rolle, und damit verschwindet auch diese Wildheit, die den Spreeraum und andere Orte in Berlin immer so geprägt hat."

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Stadträume

Der öffentliche Raum - er dient als Treffpunkt, als Ort der Erholung, der öffentlichen Meinungsäußerung, er prägt den Charakter einer Stadt. Wofür nutzen ihn die Bürger und wem gehört er? Wie ist er gestaltet, wie sollte er gestaltet sein? Welches Bild gibt er wieder von unserer Gesellschaft heute und wie sind unsere Visionen vom öffentlichen Raum der Zukunft. Inforadio begibt sich in dieser Woche auf die Spuren der Ausstellung "demo:polis – Das Recht auf öffentlichen Raum" in der Akademie der Künste und erkundet den öffentlichen Raum in der Stadt - mit Interviews, Beiträgen und Reportagen.