Ihr Thema: Fahrrad – Auto – Fußgänger - Wem gehört die Straße?
Die Inforadio-Hörer Joachim und Johanna Gütter ärgern sich oft über Fahrradfahrer, die überall fahren, nur nicht auf dem Radweg. Sie fordern Besteuerung, Kennzeichnungs- und Versicherungspflicht für Radfahrer. Inforadio und die Abendschau haben sie deswegen mit Verkehrs-Senator Andreas Geisel (SPD) an einen Tisch gebracht.
Kaum etwas in Berlin macht weniger Spaß als der Straßenverkehr – und das unabhängig vom Fortbewegungsmittel. An die Regeln hält sich schon lange niemand mehr und gegenseitige Rücksichtnahme ist weitestgehend ausgestorben. Autofahrer parken in zweiter Reihe oder gleich auf dem Fahrradweg, halten sich nicht an den Mindestabstand gegenüber Radlern und vergessen gerne mal den Schulterblick beim Abbiegen. Radfahrer hingegen benutzen dann doch lieber den Bürgersteig, wenn ihnen der Fahrradweg zu bewachsen ist, und betrachten Vorfahrtsregeln und rote Ampeln maximal als freundliche Empfehlung. Eine Unart, die sie mit vielen Fußgängern teilen – wenn die nicht gerade damit beschäftigt sind, in gemütlichen Grüppchen auf der Straße zu stehen. Oder auf dem Fahrradweg zu flanieren – zumindest bis zum nächsten darauf geparkten Auto.
"Die Radfahrer wollen Narrenfreiheit"
Kurzum: Im Berliner Straßenverkehr heißt es "Jeder gegen Jeden" und schuld sind sowieso immer die anderen. Auch das Rentnerehepaar Johanna und Joachim Gütter stört die zunehmende Anarchie im Straßenverkehr, vor allem bei den Radfahrern. Darüber konnten sie im Rahmen von "Ihr Thema" mit Berlins Verkehrssenator Andreas Geisel von der SPD diskutieren. Zum Beginn der Runde machten die beiden ihrem Unmut Luft: "Die Radfahrer halten sich an fast keine Regeln. Mich wundert es, dass nicht noch mehr passiert." Mit am Tisch steht auch Steve Feldmann von der Gewerkschaft der Polizei. Er untermauert den Eindruck der Gütters mit Zahlen: "Wir haben im letzten Jahr so viele Radfahr-Unfälle gehabt, wie nie zuvor, über 7.700. Und die meisten gehen auch mit Verletzungen aus." Und er beließ es nicht bei Statistiken: "Ich habe eben mal bei der Rotlichtphase nach hinten geschaut und drei von vier Radfahrern haben die rote Ampel missachtet und sind weiter gefahren. Da sieht man schon: Es ist nicht nur ein Gefühl, sondern wir haben tatsächlich mit dem Problem zu kämpfen, dass sich Radfahrer oftmals nicht an die Verkehrsregeln halten."
"Bei vielen Radfahrern fehlt die soziale Kompetenz"
Verkehrssenator Geisels Ansatz ist ein infrastruktureller: "Wir müssen Straßenräume anders organisieren, das ist eine Aufgabe, an der wir schon lange Zeit arbeiten." Als Beispiel nannte er die Schönhauser Allee, wo im nächsten Jahr eine Autospur zu Gunsten einer weiteren Fahrradspur weichen soll. Das bringt Joachim Gütter auf die Palme: "Das ist für mich ein Grund, jemand anderes zu wählen. Solche Entscheidungen treffen den Autofahrer ins Herz. Die Radfahrer haben Radwege, die sie benutzen könnten und sollten." Er wünscht sich ganz klare Maßnahmen: Eine verpflichtende Benutzung der Radwege und eine Kennzeichnungspflicht für alle Räder, um Verstöße auch ahnden zu können. Steve Feldmann von der Gewerkschaft der Polizei hätte nichts dagegen: "Im Großen und Ganzen haben wir aber tatsächlich mit dem Problem zu tun, dass hier die soziale Kompetenz nicht so stark ausgeprägt ist, wie wir uns das wünschen würden. Das hat aber auch was mit dem mangelnden Kontrolldruck durch die Polizei zu tun." Der durch eine Kennzeichnungspflicht auf jeden Fall verstärkt wäre.
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Geisel setzt auf Infrastrukturänderungen
Doch Andreas Geisel hält nichts von der Idee eines Nummernschildes für Radfahrer: "Das sind Bundesaufgaben. Es gibt 78 Millionen Fahrräder in der Bundesrepublik, wenn wir die alle kennzeichnen wollten, hätten wir ziemlich viel zu tun. Das wäre ein jahrelanger Verwaltungsaufwand." Er versteht, dass sowohl Autofahrer wie auch Radfahrer das Gefühl haben, für sie werde zu wenig getan, aber: "Beide haben nicht recht. Beide müssen erkennen, dass man aufeinander Rücksicht nehmen muss." Doch den Eindruck, dass die Fahrradfahrer momentan von der Politik bevorteilt werden, kann er den Gütters nicht nehmen.