Lange Schlange vor dem Bürgeramt Neukölln (Bild: imago/Olaf Wagner)
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Kaputtgesparte Verwaltung - Wann sind die Ämter wieder für die Bürger da?

Constanze Meyer-Thietz ärgert sich über die kaputtgesparte Verwaltung, die zu Überlastung der Mitarbeiter und extreme Wartezeiten für die Bürger führt. Inforadio und die Abendschau haben ihr die Gelegenheit gegeben, mit der Steglitzer Bezirksstadträtin Cerstin Richter-Kotowski (CDU) darüber zu diskutieren.

Die Situation auf Berlins Ämtern war schon seit der Jahrtausendwende nicht gerade schön, doch in letzter Zeit hat sie sich noch einmal heftig verschärft: Spätestens seit der Ankunft der vielen Geflüchteten ist deutlich geworden, wie überfordert die Verwaltung der Hauptstadt tatsächlich ist. Auf Termine muss man unter Umständen Monate warten, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Behörden sind konstant überfordert, was der Qualität ihrer Arbeit auch nicht gerade förderlich ist.

"Kümmert euch um die wachsende Stadt!"

Constanze Meyer-Thietz kennt diese Problematik sehr gut – und das gleich aus zwei Perspektiven: Die Verwaltungsfachangestellte war selbst auf der Wohngeldstelle tätig und musste mit ansehen, wie sich Menschen um Sitzplätze prügelten. Und auch Meyer-Thietz selbst bekam bei ihren Umzügen innerhalb Berlins zu spüren, dass die Wartezeiten immer und immer länger wurden. Das, so sagt sie, ist kein Zustand – weder für die Bürger, noch für die Mitarbeiter. Sie wirft dem Senat und den Bezirken vor, immer nur kurzsichtig zu agieren und fordert von allen Parteien: Kümmert Euch um die wachsende Stadt und entwickelt langfristige Konzepte!

Inforadio und Abendschau haben Constanze Meyer-Thietz die Möglichkeit gegeben, direkt mit der Politik ins Gespräch zu kommen – in Person von CDU-Politikerin Cerstin Richter-Kotowski, Stadträtin im Bezirk Steglitz-Zehlendorf. Ihr erklärte Meyer-Thietz, was sie umtreibt: "Ich bin in den letzten Jahren immer mal wieder umgezogen, habe geheiratet und deswegen musste ich auch ab und zu auf Bürgerämter gehen. Ich habe gemerkt, dass es in den letzten Jahren immer schwieriger geworden ist, einen Termin zu finden." Irgendwann ging die 30-Jährige dann auf gut Glück und ohne Termin zum Amt.

"Es hat ein Umdenken stattgefunden"

Cerstin Richter-Kotowski (CDU) kann die Unzufriedenheit der Bürgerinnen und Bürger verstehen: "Das ist Berlin-weit ein Problem – was in diesem Jahr angepackt worden ist." In dieser Legislaturperiode habe endlich ein Umdenken stattgefunden. Die Bezirke hätten verstanden, dass sie mehr Personal benötigten. Viel zu spät, sagt Expertin Marion Kruck von ver.di: "Das Problem ist viel älter." Sie fordert jetzt eine Mindestausstattung und Qualitätsstandards, im Sinne von Bürgern und Angestellten.

Constanze Meyer-Thietz kennt die Situation der Ämter auch aus der anderen Perspektive: Sie ist Verwaltungsfachangestellte und hat beispielsweise auf der Wohngeldstelle gearbeitet. Doch immer nur befristet – und genau da liegt das Problem, sagt sie. Zustimmung bekommt sie von CDU-Frau Richter-Kotowski, die darauf verweist, dass die Bezirke seit 2014 wieder unbefristete Arbeitsverhältnisse eingehen können.

So lief die Diskussion

"Berlin braucht ein langfristiges Personalkonzept"

Doch damit kann es nicht getan sein, da sind sich alle Diskutanten einig. Cerstin Richter-Kotowski fordert vom nächsten Senat mehr Geld und zusätzliches Personal für die Bezirke. Die Beschäftigten müssten besserbezahlt werden, denn im Moment verlören die Bezirke reihenweise gut ausgebildetes Personal an Bund und Land. Unterstützt wird sie dabei von Marion Kruck von ver.di, die vor allem ein langfristiges Personalkonzept "nicht nur immer über zwei Jahre" fordert.

Eigentlich sind sich also alle am Tisch einig: Es braucht mehr Geld und mehr Personal, um die Situation in den Griff zu bekommen. Constanze Meyer-Thietz hört die Aussagen von Cerstin Richter-Kotowski gerne, doch traut sie ihnen nicht so ganz: Zu oft hat sie sie schon gehört.

Hintergrund

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Es waren so schöne Maßnahmen, die sich SPD und CDU hatten einfallen lassen, um die katastrophale Situation der Berliner Verwaltung endlich in den Griff zu bekommen: Die Online-Vergabe von Terminen sollte künftig sechs Monate im Voraus möglich sein, das Termin-Kontingent sollte bei Auslastung – also quasi immer – erhöht werden und die Bürgerämter sollten auch Samstags und am Abend öffnen. So zumindest sah es ein Maßnahmenpaket der großen Koalition aus dem November 2015 vor.

Umgesetzt wurde davon jedoch nichts: Termine gibt es noch immer maximal acht Wochen im Voraus, erhöhte Termin-Kontingente scheitern ebenso am Personalmangel wie die zusätzlichen Öffnungszeiten. In Wirklichkeit ist in der Regel schon die Besetzung der momentan vorhandenen Termine problematisch, angesichts eines stetig steigenden Krankenstandes.

Es ist ein Teufelskreis: Die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die da sind, sind konstant überlastet und werden davon krank. Aktuell liegt der Krankenstand je nach Behörde zwischen 20 und 30 Prozent. Das wiederum bedeutet: Noch mehr Arbeit für die übrig gebliebenen, noch mehr Überlastung. Und das wird sich in absehbarer Zeit nicht ändern: Rund 30.000 Stellen werden bis 2021 altersbedingt frei.

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