Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni bei einem Treffen mit dem kasachischen Präsidenten Kassym-Schomart Tokajew.
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Vis à vis - Christian Jansen: "Man darf Meloni nicht unterschätzen"

Als Giorgia Meloni italienische Regierungschefin wurde, schrillten in vielen Ländern die Alarmglocken. Sie steht einer Partei vor, die als post-faschistisch gilt. Tatsächlich dürfe man Meloni nicht unterschätzen, sagt Historiker Christian Jansen. Sie ändere vieles "auf leisen Sohlen".

Gewissermaßen sei es schon eine Überraschung, dass Italiens Regierungschefin Meloni sich politisch gemäßigter gebe als zunächst befürchtet, sagt Geschichtswissenschaftler Christian Jansen, der an der Universität Trier forscht. Doch die Stimmung im Land sei gekippt, auch wenn es von außen nicht unbedingt so wirke, so Jansen.

"Viele Dinge, die passieren, kriegen wir hier gar nicht so mit", meint er. Als wichtiges Beispiel nennt der Historiker den Umgang mit den Medien. "Der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Italien, die Rai, ist sehr stark von Leuten aus Melonis Partei übernommen worden."

Historiker: Meloni und EU gegenseitig aufeinander angewiesen

In Brüssel ziehe Meloni bei Entscheidungen mit, weil sie auf die Unterstützung der EU angewiesen sei. Aber auch andersherum gebe es eine Abhängigkeit von Italien in der Europäischen Union, wie sich an den versöhnlichen Bildern mit Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen zeige. "Gleichzeitig weht der Wind natürlich auch in ihre Richtung", sagt Jansen über Meloni. "Alle Länder der EU sind auf ihren Kurs einer harten Abwehr von Flüchtlingen mehr oder minder eingeschwenkt."

Die europäischen Christdemokraten würden versuchen, Meloni mehr ins gemäßigt-konservative Lager zu ziehen, erklärt er. "Ob das gelingt - da bin ich eher skeptisch. Aber im Moment ist es eine Win-Win-Situation für beide." Es sei aber wichtig zu benennen, dass es "innerhalb von Melonis Unterstützerlager und auch in ihrer Partei ganz klar faschistische Gruppen" gebe, so der Geschichtsprofessor.

Jansen: "Eindeutig faschistische Elemente in Melonis Politik"


In Teilen der italienischen Bevölkerung sei außerdem eine "ungebrochene Verherrlichung von Mussolini" zu beobachten. Schon unter dem ehemaligen Ministerpräsidenten Silvio Berlusconi habe es einen "Schwenk in der Erinnerungspolitik" gegeben, den Meloni jetzt fortsetze - weg vom Antifaschismus hin zur Verharmlosung des Faschismus.

Die Ministerpräsidentin bezeichne sich zwar selbst als "afaschistich" und behaupte, sie habe damit gar nichts zu tun. "Aber wir dürfen ihr nicht auf den Leim gehen und viel über diese Begriffe diskutieren", sagt Jansen. "Es geht entscheidend darum, was für eine Politik sie macht und ob da faschistische Elemente drin sind. Und die sehe ich ganz klar."

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