Hände mit Handschuhen formen ein Herz
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100 Sekunden Leben - Herzdoktor statt Paartherapie

Unsere Kolumnistin Doris Anselm ist frisch verliebt – und soll zum Kardiologen. Wie es zu diesem auffälligen Zufall kam, weiß sie selbst nicht. Aber ihre Recherchen im Wartezimmer haben ergeben: Das menschliche Herz ist wirklich nicht besonders belastbar. Jedenfalls im Vergleich zu anderen Dingen.

Ich hätte nicht gedacht, dass ich so gern die SuperIllu lese. Als Wessikind der Achtziger bin ich absolut keine Zielgruppe. Aber hier knie ich, vor dem Tisch im Wartezimmer meiner Hausärztin, und durchwühle den Zeitschriftenstapel nach weiteren Ausgaben. Am liebsten mag ich die Mitmach-Serie über unkaputtbare Küchengeräte. Ein Ehepaar aus Sachsen-Anhalt zeigt seine 60 Jahre alte Saftpresse, Produkt des VEB Schwermaschinenbau Karl Liebknecht Magdeburg. Ich bin ganz gerührt, wegen des Rührgerätes, das meine Mutter mit in die Ehe gebracht hat und mit dem sie auch heute noch rührt, allerdings ein Westprodukt.

Manche Phänomene sind eben in Wahrheit gar keine Ossi- oder Wessi-Geschichten, sondern einfach welche aus der Zeit vor dem Wegwerfwahn, denke ich grad, da ruft mich die Ärztin rein. Als ich wieder rauskomme, habe ich trotz oder wegen meines gerührten warmen Herzens eine Überweisung zum Kardiologen in der Hand. Weil mir das ein bisschen Sorgen macht, schreibe ich schnell dem neuen Mann in meinem Herzen. Der schreibt sofort zurück, dass er sich selbst seit längerem vor einem Kardiologenbesuch drückt, der ihm ans Herz gelegt wurde.

Tjaja, so ist das wohl, wenn man sich mit 40+ verliebt. Ich seh uns schon zusammen da sitzen. Als Date. Was könnte romantischer sein? Und wenn man gleich am Anfang der Beziehung zusammen zum Herzdoktor geht, muss man vielleicht am Ende der Beziehung nicht zusammen zur Paartherapie! Wir könnten uns im Wartezimmer gegenseitig aus der SuperIllu vorlesen. Und falls sich herausstellt, dass es was Ernstes ist, also auch gesundheitlich, dann haben wir einander immerhin noch rechtzeitig gefunden. Also bevor wir uns der tödlichen Tatsache stellen müssen, dass der Mensch nun eben leider keine Magdeburger Saftpresse ist.