Yogalehrer unterstützt Schülerin bei einer Haltung
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100 Sekunden Leben - Vergreift euch im Ton!

Jede Berufsgruppe hat ihr typisches Auftreten und ihren Jargon. Umso größer ist oft die Irritation, wenn jemand plötzlich völlig anders redet als erwartet. Für rbb24 Inforadio-Kolumnistin Doris Anselm sind solche Überraschungen das Salz in der Alltagssuppe.

Ich gehe sehr gerne und schon sehr lange zum Yoga, aber manchmal ist es ein bisschen langweilig. Die Atem- und Körperübungen werden nämlich immer und überall im gleichen Achtsamkeits-Sprech moderiert. Sie wissen schon: Spüren Sie jetzt mal ganz, ganz sanft nach, ob vielleicht in ihrem Sakralchakra … und so weiter.

Doch neulich erwischte ich einen Yogalehrer, den ich noch nie hatte, und bei dessen Ansprache mein Sakralchakra mal direkt salutiert und die Hacken zusammengeknallt hat. Der Mann redete nämlich so: "Die Finger SIND bei dieser Übung DURCHgestreckt! Wer die Finger NICHT durchstrecken kann, der MUSS die Hände ZWINGEND vor JEDER Yogastunde AUF-WÄR-MEN!"

Ich fand seinen Tonfall herrlich erfrischend. Mit drastischem Vokabular schilderte er uns den Bandscheibenvorfall, den wir GARANTIERT erleiden würden, WENN wir bei dieser Übung ins HOHLKREUZ gingen. Die Yogastunde war viel aufregender als sonst – und interessanterweise war ich danach total relaxt.

Seitdem träume ich öfters davon, dass auch andere Berufe ihre Sprechhaltungen mal durchtauschen. Gern erleben würde ich zum Beispiel, dass mein aalglatter Bankberater so aufträte wie der Straßenzeitungsverkäufer in der U-Bahn: "Ich möchte nicht stören … mein Name ist Julian … leider lebe ich seit sechs Jahren davon, überteuerte Anlageprodukte zu verkaufen … da ich leider noch nie ein Gewissen hatte und auch keine schöne Idee, was ich mit meinem Leben anfangen könnte … würde es mich sehr freuen, wenn Sie mich ein bisschen unterstützen mit ihren gesamten Ersparnissen." Super!

Und morgens beim Bäcker hätte ich gern was Erbauliches wie: "Im Namen des Hafers, des Mohnes und des heiligen Weizens, dies ist mein Brötchen, für Dich gegeben." Oder so ähnlich. Also ganz generell, liebe Mitmenschen: Vergreift Euch doch einfach öfter mal im Ton – macht das Leben lustiger.