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100 Sekunden Leben - 25 Jahre Adlon: 8000 Euro für eine Nacht mit Puderraum

Das "Adlon" feiert Geburtstag. Vor 25 Jahren wurde das legendäre Hotel am Pariser Platz wiedereröffnet. Unser eigentlich knauseriger Kolumnist Thomas Hollmann gratuliert zum Jubiläum.

Ich bin ja eher ein Geizhals und würde deshalb nie im Adlon übernachten, selbst wenn ich es mir leisten könnte. Zumal man derzeit nicht einmal das Brandenburger Tor sieht, weil das solidarisch unbeleuchtet dasteht. Was einen zu der Frage führt, warum Hotel-Butler weiße Handschuhe tragen - und keine in Regenbogen-Farben? Und ist Luxus wirklich notwendig?

Natürlich nicht. Kein Mensch braucht einen separaten Puderraum, um zu überleben. Auf der anderen Seite nimmt jemand, der die Imperial Suite für 8.000 Euro die Nacht bucht, auch niemandem das Essen weg. Eine Welt ohne Puderraum wäre also nicht zwingend eine bessere oder gar gerechtere.

Stellt sich die Frage, warum jemand 8.000 Euro für eine Nacht mir Puderraum ausgibt? Ich vermute, weil er oder sie es sich leisten kann und vor allem: leisten will. Bedeutet Luxus lateinisch doch "Verbogenheit", im Sinne von "Abweichung vom Normalen". So schreibt es der Duden.

Und Kaiser Wilhelm II. hat sich bei der Eröffnung des Adlon 1907 garantiert besonders gefühlt. Kam aus den Hähnen des Hotels doch warmes Wasser. Inzwischen fließt das in jeder Wohnung. Was einen kultur-optimistisch werden lassen könnte, scheint Luxus die Menschheit doch voranzubringen. Nicht zuletzt ästhetisch. Denn auch wenn ich Geizhals mir nie einen Porsche leisten würde, finde ich den doch schöner als einen Trabi. Wie mir die anti-luxuriöse Staatsform der DDR eh viel zu kantig und grau erschien.

Gregor Gysi offensichtlich auch. Im Bundestagswahlkampf hat der Oberlinke einst mit einem geradezu verschwenderischen Slogan für sich geworben: "Reichtum für alle". - In diesem Sinne: Herzlichen Glückwunsch, wertes Adlon.