Israelische Soldaten gewinnen am 11.10.2023 die Kontrolle über den Kibbuz Be'eri zurück, der zuvor von Terroristen der Hamas überfallen worden war.
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Interview - Militärexperte: Vieles deutet auf israelische Bodenoffensive hin

Israels Militär will mit Angriffen im Gazastreifen die gesamte Führungsspitze der islamistischen Hamas ausschalten. Aktuell deute vieles auf eine Bodenoffensive hin, sagt der Militärexperte Michel Wyss. Die Hamas sei darauf vorbereitet. Man werde sich auf hohe Opferzahlen einstellen müssen.

"Die israelische Armee hat Truppen und schweres Material zusammengezogen in Bereitstellungsräumen an der Grenze zu Gaza", erklärt Michel Wyss, Militärexperte an der Eidgenössischen Technischen Hochschule Zürich. Außerdem spreche die Aufforderung Israels, dass Zivilisten den nördlichen Gazastreifen räumen sollten, für eine Bodenoffensive.

Die Terrorgruppe Hamas sei auf ein solches Szenario verbereitet, etwa durch Hinterhalte und Sprengmittel. Zudem verweist er auf ein Tunnelsystem. Der Experte geht davon aus, dass man sich auf größere Opferzahlen einstellen müsse als bei einer Bodenoffensive 2014, bei der mehrere duzend Soldaten der israelischen Armee getötet wurden.

Militärexperte: Bodenoffensive wird unvermeidlich zu zivilen Opfern führen

 

"Es wird auf jeden Fall sehr schwierig die Hamas komplett zu zerstören. Da muss man sich keine Illusionen drüber machen", so Wyss. Außerdem werde "unvermeidlich eine solche Bodenoperation zu Opfern unter der Zivilbevölkerung führen."

Laut dem Militärexperten muss man damit rechnen, dass die Hamas ihre militärische Schlagkraft aufgebaut habe. Dennoch sei sie der israelischen Armee in der Anzahl und in militärischen Mitteln unterlegen. Diese Nachteile könne sie im Gelände eben durch Hinterhalte und Sprengfallen ausgleichen.

Wyss: Hamas wird Drohung wahrmachen und Geiseln töten

 

Zudem sei es unmöglich im Falle einer Bodenoffensive sämtliche Geiseln zu befreien. Die über 100 Gefangengenommenen seien auf mehrere Standorte verteilt. Man muss laut Wyss davon ausgehen, dass die Hamas ihre Drohung wahrmachen würde und beginnen würde, die Geiseln zu töten.

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Nach Angaben der Vereinten Nationen betrifft das etwa 1,1 Millionen Palästinenser. Sie sollen nach dem Willen des israelischen Militärs in den nächsten 24 Stunden in den Süden des Gazastreifens ausweichen. Das gelte auch für alle UN-Mitarbeiter und diejenigen, die in UN-Einrichtungen wie Schulen, Gesundheitszentren und Kliniken untergebracht sind.

Ein UN-Sprecher sagte, man halte es für unmöglich, dass eine solche Bewegung ohne verheerende humanitäre Folgen stattfinden könne. Man müsse verhindern, dass sich die ohnehin schon tragische Situation zu einer katastrophalen entwickle.

Auch in der vergangenen Nacht hat die israelische Armee wieder Ziele im palästinensischen Gazastreifen bombardiert. Dabei seien fünf Wohnhäuser getroffen worden, die den Angaben zufolge von der Hamas genutzt werden. Berichte über Opfer des Angriffs gibt es nicht. Vom palästinensischen Gesundheitsministerium heißt es, seit Samstag seien durch israelische Luftangriffe mehr als 1.500 Menschen ums Leben gekommen.

Die Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch wirft Israel vor, dabei auch weißen Phosphor einzusetzen. Der Einsatz gegen militärische Ziele ist umstritten, aber nicht verboten. Weißer Phosphor ist hochentzündlich und giftig.

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