Interview - Ist die "Letzte Generation" eine kriminelle Vereinigung?
Die Generalanwalschaft München ermittelt gegen die "Letzte Generation" wegen des Vorwurfs der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Der Strafrechtsprofessor Mark Zöller hält diesen Verdacht für fraglich. Der Vorgang zeige die Verzweiflung der Behörden. Sie suchten nach neuen juristischen Mitteln, um gegen die Aktivisten vorzugehen.
Die Polizei hat am Mittwoch bei einer bundesweiten Razzia Wohnungen von Aktivistinnen und Aktivisten der "Letzten Generation" durchsucht. Es geht um den Verdacht der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Doch wie stichhaltig ist dieser Verdacht aus juristischer Sicht?
Zöller: Ungeklärte Rechtsfrage
"Bei diesem Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung muss man immer nachweisen, dass diese Verienigung ihrem Zweck oder ihrer Tätigkeit nach darauf gerichtet ist, Straftaten zu begehen", sagt der Jurist Mark Zöller von Universität München. Das gelte aber nicht, wenn die Straftaten eine untergeordnete Bedeutung haben. Genau das sei bei der "Letzten Generation" der Fall. Die Vereinigung habe drei Hauptziele klar definiert: Tempolimit, 9-Euro-Ticket und Gesellschaftsrat.
"Wir sprechen hier letztendlich über eine Rechtsfrage, die ungeklärt ist, und nicht über eine Beweisfrage", sagt Zöller. Das Festkleben auf der Straße sei zweifelsfrei eine Straftat. Jetzt gehe es aber um die Frage, ob zusätzlich dazu noch eine andere Straftat begangen werde, indem man sich an der Vereinigung selbst beteilige.
Großer Unmut bei Sicherheitsbehörden
Dem Rechtsexperten zufolge zeigt sich an dem Vorgang "die Verzweiflung der Sicherheitsbehörden". Bisher habe man die Aktivisten nicht stoppen können, "weil die diese Strafbarkeit ja bewusst in Kauf nehmen". Der Unmut darüber sei groß. "Jetzt versucht man sozusagen, noch weiter ins Vorfeld zu gehen."
Um Anklage erheben zu können, müsse die Generalanwaltschaft aber nachweisen, dass es der "Letzten Generation" hauptsächlich um das Begehen von Straftaten ankomme, und nicht um den Klimaschutz. "Das halte ich doch für relativ fraglich", sagt Zöller.