Probezeit geschafft - Sophie, Nina, Sharleen und Alaa (Bild: Sophie Dziaszyk u.a.)
Sophie Dziaszyk u.a.
Bild: Sophie Dziaszyk u.a.

- Pflege intensiv — Zukunftsprüfungen

Es erscheint oft das Gegenteil von "Traumjob" — der Beruf in der Pflege. Schichtdienst, Überstunden, Bezahlung eher mau. Inforadio begleitet seit dem Frühjahr vier Pflege-Azubis, die aktuell richtig Stress haben — Prüfungen! Thomas Rautenberg hat sie begleitet und schaut, wer durchkommt und wer weitermacht.

Impressionen Auszubildende im Prüfungsstress

Für Sophie, Nina, Alaa und Sharleen wird es ernst. Im Bildungszentrum der DRK-Schwesternschaft Berlin hängen überall Schilder mit der Bitte um Ruhe. Die dritte Etage des historischen Klinkerbaus auf dem Campus Westend ist für die Prüflinge reserviert. Alaa ist der erste, der am frühen Morgen ranmuss. 2016 kam der 32-jährige Syrer nach Deutschland, jetzt läuft er den langen Schulflur nervös auf und ab, greift zum Telefon in der Hosentasche, schaut drauf, steckt es wieder ein. Alaa ist die Ausbildung bisher nicht leichtgefallen. Er hat große Sorge, dass sein Berufswunsch doch noch platzen könnte.

Im Warteraum geht es sehr viel munterer zu. Nach dem gemeinsamen Start im Homeoffice haben die Azubis drei Monate lang auf verschiedenen Stationen gearbeitet. Es gibt also viel zu erzählen. Nina Maibom, die auf der Kinderstation im Krankenhaus Westend eingesetzt war, gibt sich betont gelassen: Prüfungsstress — ach wo, sagt die 28-Jährige. Doch sie wirkt am Prüfungstag ruhiger als sonst.

Große Anspannung vor den ersten Pflege-Prüfungen

Auch Sophie ist zur Prüfung ins Berufsbildungszentrum gekommen. Die Spandauerin, die vor ihrer Ausbildung schon ein Freiwilliges Soziales Jahr im DRK-Klinikum Westend gemacht hat, sucht sich einen Platz ganz am Rand. Dann kramt sie ihren Hefter aus der Tasche und sieht ein bisschen so aus, als klammere sie sich daran fest.

Gespannt ist auch Sharleen, die Vierte im Bunde. Sie kommt aus Köpenick und war auch dort in der DRK-Klinik eingesetzt, in der Kardiologie, der Abteilung für Herz-Kreislauferkrankungen. Sie will die Ausbildung unbedingt packen, sagt die 20-Jährige.

Bei den meisten Azubis liegen die Nerven blank. Kursleiterin Mirijam Seefeldt ahnt, wie aufgeregt ihre Schützlinge sind, geht von einem zum anderen, beruhigt, redet gut zu, streicht auch schon mal jemandem übers Haar. Ihre Auszubildenden hatten es besonders schwer: Erst das Homeschooling wegen Corona und dann die drei Monate auf Station bei vollen Schichten — das geht an die Substanz.

Positiver Ausgang für alle Prüflinge

Dann endlich Gewissheit: Alaa hat die Prüfung geschafft und ist jetzt einfach nur noch müde. Auch Nina und Sophie haben die Prüfung geschafft — und ein gutes Gefühl. Nur Sharleen wirkt geknickt. Dann endlich gibt es die Prüfungsergebnisse in Einzelgesprächen. Alaa hat eine Drei bekommen — aber bestanden ist bestanden. Auch Sophie, die erst letzte Woche so richtig zum Lernen gekommen ist, hat es mit einer Drei gepackt —mittelprächtig ist doch auch prächtig, scherzt sie.

Nina kommt mit einer glatten Eins heraus. Die 28-jährige Kreuzbergerin zeigt mit dem Daumen nach oben. Sie hatte es von sich selbst auch so erwartet. Nina ist eine Spätstarterin in den Pflegeberuf, hat jahrelang eine Berliner Szene-Bar mitgeleitet und sich erst dann für die Ausbildung entschieden. Doch wenn sie was macht, dann richtig, ohne Kompromisse, sagt sie.

Und die ehrgeizige Sharleen? Sie fragt sich, woher eigentlich die Selbstzweifel kommen. Obwohl sie sagt, dass sie vermeintlich das falsche Thema erwischt habe, hat auch sie eine glatte Eins.

Hohe Abbruchquote bei den Pflege-Azubis

Nicht nur die vier, sondern alle Azubis, die zur Prüfung gekommen sind, haben es auch geschafft — manche sehr gut, einige mal gerade so. Allerdings haben schon vor der Prüfung einige die Ausbildung hingeschmissen. Von den 27 im Frühjahr sind nur noch 16 dabei. Das ist bitter, sagt Schulleiterin Gudrun Fiehöfer. Abbrecher gäbe es immer, aber dass fast die Hälfte eines Jahrgangs nicht mehr weitermachen will, das gab es noch nie. Eine Auszubildende hat sich verabschiedet, weil sie doch noch den ersehnten Medizinstudienplatz bekommen hat. Bei den anderen habe sicher auch das Homeschooling vieles schwerer gemacht, davon ist Gudrun Fiehöfer überzeugt.

Die 16 Azubis, die weitermachen werden, sind wie Nina, Sophie, Sharleen und Alaa hochmotiviert. Auf jeder Station der Berliner DRK-Kliniken wäre man wohl froh, wenn sie und die anderen nach der Ausbildung dort dauerhaft anfangen würden.

Die vier gönnen sich nach den bestandenen Prüfungen gemeinsam ein kleines Fläschchen Sekt. Die Probezeit ist geschafft, die entscheidende Hürde auf dem Weg zur Pflegefachkraft ist überwunden. Ein schöner Abend steht bevor – und das zweite Semester wartet auf sie. Dieses Mal im Präsenzunterricht.

Fortsetzung folgt.

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