Der Staatsanwalt von Marseile, Brice Robin spricht in Seyne Les Alpes, Frankreich, mit den wartenden Journalisten (Bild: DPA)
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- Die Grenzen der Berichterstattung

Nach der Germanwings-Katastrophe konzentriert sich das Medieninteresse auf die Person des Co-Piloten, der den Absturz mutmaßlich verursacht haben soll. Doch bei dem sensiblen Thema, etwa der Frage nach möglichen psychischen Erkrankungen den 27-Jährigen, werden häufig journalistische Grundsätze verletzt - etwa der Schutz der Privatsphäre. Fragen dazu von Leon Stebe an den rbb-Medienexperten Jörg Wagner.

So wird in vielen Medien weltweit der volle Name des 27-jährigen Co-Piloten genannt. Fotos von ihm werden unverpixelt abgedruckt oder im Internet veröffentlicht. Nicht nur sein Wohnhaus in Düsseldorf, auch das Haus seiner Eltern im rheinland-pfälzischen Montabaur wird seit Donnerstag von einem Journalistenpulk belagert.

In der ganzen Stadt herrscht Ausnahmezustand. Reporter aus aller Welt versuchen, Nachbarn der Familie zu interviewen. Von besonderem Interesse: die Frage nach eventuellen psychischen Vorerkrankungen. Lufthansa-Chef Spohr hatte gestern offiziell mitgeteilt, dass der Co-Pilot seine Ausbildung an der Flugschule in Bremen für einige Zeit unterbrochen hatte. Danach sei er jedoch einem erneuten Aufnahmeprozedere unterzogen und als "fit to fly" eingestuft worden.

Bei der Suche nach den Motiven für den höchstwahrscheinlich vom Co-Piloten ausgelösten Absturz der Germanwings-Maschine gibt es laut Polizei bislang noch kein entscheidendes Indiz. Bei der Durchsuchung seiner Düsseldorfer Wohnung L. seien "diverse Gegenstände und Papiere" beschlagnahmt worden, die nun ausgewertet werden müssten, sagte ein Sprecher der Polizei Düsseldorf am Freitag.

Ob das letztlich den Beweis für die Hintergründe des Flugzeugabsturzes erbringen werde, "muss sich zeigen". Die Staatsanwaltschaft Düsseldorf, die in Deutschland die Ermittlungen in dem Fall führt, hatte bereits erklärt, die Auswertung der Beweismittel werde einige Zeit in Anspruch nehmen.

Beamte hatten am Donnerstag Wohnungen des Co-Piloten in Düsseldorf und in seinem Heimatort Montabaur durchsucht. Zuvor war bekannt geworden, dass er den mit insgesamt 150 Menschen besetzten Airbus offenbar absichtlich in den Sinkflug und zum Absturz gebracht hat. Zum Zeitpunkt des Unglücks war er allein im Cockpit. Der Kapitän war ausgesperrt.

Mehrere Medien hatten am Donnerstag über eine mögliche depressive Erkrankung des 27-Jährigen berichtet.

Piloten verärgert über Veröffentlichung der "NYT"

Mit großer Verärgerung haben Pilotenverbände darauf reagiert, dass Ermittlungsinformationen zum Germanwings-Absturz vorab an Medien weitergegeben worden sind. Der französische Pilotenverband SNPL kündigte am Freitag an, Anzeige wegen Verrats von Berufsgeheimnissen zu erstatten. Der europäische Pilotenverband ECA fürchtet um die Unabhängigkeit der Ermittlungen.

Dass Daten aus dem Stimmenrekorder der Germanwings-Maschine so schnell öffentlich gemacht worden seien, sei ein schwerer Verstoß gegen akzeptierte Standards der Unfallaufklärung, kritisierte der Brüsseler Verband. Er verwies auf ähnliche Kritik des internationalen Berufsverbandes Ifalpa.

Grund für die geplante Anzeige des französischen SNPL waren die Berichte der "New York Times", die am Donnerstag die Informationen auf Basis des Stimmrekorders der abgestürzten Maschine noch vor der Pressekonferenz des Staatsanwaltes verbreitet hatte. Das bedeute, dass es eine undichte Stelle gegeben habe, sagte der Präsident der Vereinigung, Eric Derivry, im französischen Sender BFMTV. 

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Die Tragödie von Flug 4U9525

Der "schwärzeste Tag in der langen Unternehmensgeschichte der Lufthansa und ihrer Tochterfirma" - so nannte Konzernchef Carsten Spohr den Absturz des Germanwings-Airbus am 24. März 2015 über den südfranzösischen Alpen. Fassungslosigkeit und Trauer wurden noch einmal verstärkt durch die Meldung, dass die Katastrophe vom Co-Piloten der Maschine absichtlich herbeigeführt wurde. Vier Monate nach dem Absturz der Maschine kommen hunderte Angehörige wieder zu einer Trauerfeier am Absturzort zusammen. Doch die Trauer wird überschattet vom Streit um Entschädigungen. Wir haben alle Informationen rund um den Absturz noch einmal für Sie zusammengefasst.