Archivbild: Jürgen Röber bei einem Golftunier zugunsten der Uwe Seeler-Stiftung (Quelle: imago/Stefan Zeitz, Axel Lange)

- "Die Leute sind so direkt und das mag ich"

1999 führte er die blau-weiße Hertha bis in die Champions League. Danach zog es Jürgen Röber in alle Himmelsrichtungen, von Belgrad bis nach Moskau. Doch Berlin blieb seine Heimat - seit zwölf Jahren wohnt der 61-Jährige am Potsdamer Platz. Im Interview spricht der ehemalige Hertha-BSC-Trainer über 40 Jahre Profifußball und die Zeit danach.

Vor mehr als 19 Jahren sind Sie nach Berlin gekommen – zum Arbeiten, als Trainer von Hertha BSC. Da waren sie 6 Jahre, dann hatten Sie noch andere Stationen in Wolfsburg, in Dortmund, Russland, Serbien, in der Türkei. Aber Berlin ist Ihr Zuhause geworden. Warum haben Sie sich dazu entschieden, hier zu wohnen?

Jürgen Röber: Ich liebe diese Stadt – das war schon mein erster Eindruck. Es war eine schwere Aufgabe damals, die ich übernahm. Wir waren in der zweiten Liga, sind Richtung Abstieg gegangen, aber Gott sei Dank aufgestiegen. Wir haben dann eine sehr gute Geschichte geschrieben in den sechs Jahren, auch wenn ich immer wieder sagen muss, bei allem Erfolg: Ich bin ja jedes Jahr zweimal gefeuert worden (lacht), irgendwo kommt man in Situationen, da läuft es nicht so richtig, dann wird man kritisiert und in Frage gestellt. Dazu kommt, ich habe ja eine Berlinerin geheiratet, da habe ich ja keine Chance (lacht). Ich habe am Gendarmenmarkt gewohnt, am Kudamm und wohne jetzt mittlerweile schon seit 12 Jahren am Potsdamer Platz.

Was haben Sie am meisten vermisst, als Sie im Ausland unterwegs waren?

Das ist schwer zu sagen. Moskau war eine tolle Stadt, auch wenn ich da so ein unwohles Gefühl hatte. Es war in der Liga nicht alles koscher, wie man so sagt. Da hatte man das Gefühl, da läuft nicht alles so richtig mit den Schiedsrichterentscheidungen und ich war dann im Nachhinein froh, dass ich da wieder weg war. Serbien war fantastisch, Belgrad war auch eine tolle Stadt, die Leute – ganz toll.

Aber Berlin pulsiert. Wenn du mitten in der Stadt lebst, sie spürst und mit ihr lebst. Auch die Menschen – ich habe immer einen guten Kontakt zu ihnen gehabt. Manchmal habe ich schon das Gefühl, als ob ich mit denen zusammen in die Schule gegangen bin, weil die mir teilweise hinterherschreien 'Hallo Jürgen, wie geht’s dir?' Aber das ist schön, die Leute sind so direkt und das mag ich auch.

Sie haben praktisch Ihr ganzes Leben mit dem Fußball verbracht. Sie sind in Sachsen-Anhalt geboren und dann tief in den Westen gegangen mit Ihren Eltern. Dann haben Sie vor fünf Jahren gesagt: 'Jetzt ist Schluss mit Fußball, egal in welcher Funktion'. Man dachte 'der bereitet sich auf die Rente vor'. Aber Sie sind unglaublich viel unterwegs – ist das Unruhe oder Neugier?

Ich glaube, das ist eher Neugier. 1956 sind meine Eltern aus dem Osten in den Westen gekommen, ich bin im Lager groß geworden, mein Vater hat unter Tage gearbeitet. Wir sind unglaublich viel unterwegs gewesen. Wir haben nicht die finanziellen Mittel gehabt – aber trotzdem sind wir jedes Jahr irgendwo zum Skifahren, zum Zelten gefahren, nach Österreich, nach Italien, nach Spanien, überallhin. Jedes Mal, wenn wir irgendwo ankamen, habe ich immer wieder gesagt: 'Hier möchte ich wohnen'.

Ich war viel unterwegs, aber ich konnte es nicht so genießen."

Jürgen Röber

Viele Leute sagen immer: 'Du bist doch noch fit, du musst doch noch arbeiten.' Dann sage ich: Ich habe jetzt 40 Jahre gearbeitet - als Profi. Ich bin ja jemand, der sich total verrückt macht, also ich bin mit den Spielern ins Bett gegangen (pausiert kurz und lacht) – logischerweise im Kopf – und bin mit ihnen aufgestanden. Den Stress habe ich ganz gern mitgemacht. Ich war viel unterwegs, aber ich konnte es nicht so genießen. Jetzt genieße ich eben.

Ich war in Thailand, auf der MS Europa letztes Jahr bei der Weltmeisterschaft. Ich bin den französischen Camino gelaufen, in diesem Jahr den Camino del Nord, vier Wochen. Der Französische war relativ einfach, da läuft man dann so 20, 30 Kilometer am Tag, aber der Camino del Nord ist so, dass man an der Küste läuft, rauf und runter. Ich war beinahe alleine dort. Jeden Tag muss ich eine Strecke schaffen - deswegen sind kleine Hotels gebucht. Ich gehe nicht in die Herberge, weil ich da nachts nicht schlafen kann – unabhängig von den hygienischen Verhältnissen - und dann kann ich am nächsten Tag nicht 30, 40 Kilometer laufen.

Camino, das heißt Jakobsweg – Pilgern nennt man das ja, zu sich selbst finden. Was für eine Erfahrung haben Sie dabei gemacht?

In den letzten zwei Jahren sind meine Ex-Frau und mein Vater gestorben. Ich hatte immer Schlafprobleme, sodass ich versucht habe, durch diese Geschichte runterzukommen. Ich habe das Buch von Kerkeling gelesen, dann habe ich diesen Film gesehen 'Mein Weg': Der hat mich so begeistert, dass jemand diesen Camino läuft und mit so vielen Menschen aus verschiedenen Nationen zusammenkommt. Genauso ist es gewesen. Der französische Camino geht mitten durchs Land über Pamplona bis hin nach Santiago. Da lernst du so viele Menschen kennen – wenn man möchte und mit ihnen spricht Ich habe bis heute noch Mailkontakt zu Leuten aus Oregon, Kalifornien, Neuseeland, Frankreich, Österreich. Jeder hatte seinen Grund, warum er diesen Camino  läuft. Das war sehr interessant.

Zwei Pilger auf dem Jakobsweg (Foto: Imago)
Der Jakobsweg führt zum angeblichen Grab des Apostels Jakobus. | Bild: Imago

Aber Sie waren auch viel alleine unterwegs.

Na klar, logisch. Wenn man alleine läuft, kann man überlegen: Was ist wichtig für mich – ich werde ja demnächst 62. Die Familie ist wichtig. Aber auch: Was möchtest du noch machen in deinem Leben. Auf der einen Seite war ich seit dem 17. Lebensjahr Sportler, habe nur für den Sport gelebt. Jetzt kann ich das Leben genießen, das mache ich. Ich bin relativ wenig in Berlin, wir haben einen Zweitwohnsitz an der Nordsee, wir gehen nach Irland, nach Norwegen zum Angeln. Dann bin ich ja mindestens sechs Wochen weg Richtung Spanien – so wie die letzten beiden Jahre. Der Camino geht von Valencia 1.400 Kilometer nach Santiago und ich bin jetzt am Überlegen, ob ich den auch mache.

Das ist ja auch eine körperliche Herausforderung. Als Leistungssportler geht man auch gerne an seine Grenzen. Was macht Ihnen heute daran Spaß?

Ich war ja schon immer jemand, der sich gern körperlich betätigt, der noch lange Zeit als Trainer mit der Mannschaft mitgelaufen ist - bis ich dann irgendwann nicht mehr mithalten konnte. Manch ein Spieler hat mich deswegen am Anfang wahrscheinlich gehasst, wenn wir Laufen gegangen sind. Doch ich bin noch immer ein Fitnessfreak, logisch.  

Trainer Jürgen Röber schlägt die Hände über dem Kopf zusammen (Bild dpa)
Bereits nach drei Monaten bei Borussia Dortmund trat Röber als Trainer zurück. | Bild: Bildfunk

Wie haben Sie es denn geschafft, von der Droge Fußball wegzukommen?

Ich habe mich schon so ein bisschen abgenabelt, es kamen ja immer wieder Anfragen, ob ich Interviews gebe oder ob ich zu Sky gehe oder so. Aber dann buche ich mich wieder fest, für die und die Termine. Ich möchte nicht mehr das, was ich die letzten 40 Jahre hatte, alle drei Tage Programm. Unabhängig davon, dass man im Verein mit 25-30 Spielern arbeiten muss, die ständig im Kopf hat. Deswegen habe ich mir gesagt: Ich nehme mir jetzt die Zeit und genieße das.

Wir schauen noch in die Vergangenheit, in Richtung 23.11.1999. Da gab es im Olympiastadion ein Champions League Spiel, das haben wir ja demnächst auch wieder hier. Damals spielte Hertha BSC gegen FC Barcelona. Sie waren der Trainer: Haben Sie davon etwas mitgekriegt? Es war ja entsetzlich neblig damals.

Wir Trainer sitzen ja am Rand an der Mittellinie, da konnten wir gerade so eben die Tore sehen. Für die Zuschauer war es schon ein Spiel, 'das legendäre Nebelspiel', was eigentlich schade war. Da kommt nun mal Barcelona mit Guardiola, mit Figo, Xavi – und dann hast du so ein Nebelspiel. Der Schiedsrichter hat es angepfiffen. Er meinte, er kann von der Mittellinie die beiden Tore sehen. Es war schade, aber trotzdem ein unglaubliches Erlebnis für die Spieler in der Phase. Wir hatten im Vorfeld Mailand und Galatasaray ausgeschaltet und sind mit Chelsea in die nächste Runde gekommen, wo dann eben Barcelona, Porto und Prag war. Das war eine tolle Geschichte.

Glauben Sie, dass Sie ein Glückskind sind und in Ihrem Leben beschenkt wurden?

Auf jeden Fall. Wenn man sein Hobby als Beruf ausüben kann, ist das doch toll. Da kann man viel Geld mit verdienen, da muss man nicht darüber reden. Ich weiß nicht, ob ich das anderwärtig geschafft hätte. Wo ich ein junger Kerl war, hatte ich immer schon den Traum Bundesligaspieler zu werden. Ich muss allerdings auch sagen: Ich habe trainiert wie ein Tier. Schon damals hatte ich Trainer, die mich in der ganzen Woche trainiert haben, die irgendein Potential gesehen und gemerkt haben: Da ist so ein kleiner Verrückter, der in die Bundesliga möchte. Das war mein Leben und ich habe dafür auch sehr, sehr hart gearbeitet. Aber es hat auch unglaublich viel Spaß gemacht.

Das Interview mit Jürgen Röber führte Nikolaus Hillmann von Inforadio.

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