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Rund die Hälfte der Deutschen empfindet den Lockdown als starke bis sehr starke Belastung. Laut dem Sozialpsychologen Ulrich Wagner hat das viel mit dem Gefühl der Hoffnungslosigkeit zu tun: Egal, was man tue, es ändere nichts. Wagner warnt vor psychischen Langzeitfolgen - insbesondere bei Heimbewohnern und Kindern.
Laut ARD-Deutschlandtrend nehmen fast 50 Prozent der Befragten die Corona-Beschränkungen als starke oder sehr starke Belastung wahr. Das sind deutlich schlechtere Werte als noch vor einigen Wochen. Ulrich Wagner ist Professor für Sozialpsychologie. Er sagt: Nur klare Kommunikation lässt die Menschen weiter durchhalten. Doch die sei im Moment nicht gegeben:
"Wir haben über den Verlauf der Corona-Pandemie hinweg erlebt, dass sich die Kommunikation immer wieder verändert hat. […] Die Konsistenz der Kommunikation über die Zeit hinweg ist eigeschränkt und das vermindert die Glaubwürdigkeit."
Das hat in den vergangenen Monaten etwas mit den Menschen gemacht, meint Wagner: "Wir haben den Eindruck, die Kontrolle zu verlieren […] und das erzeugt Hoffnungslosigkeit. Das ist eine schwierige psychische Situation, wenn wir den Eindruck haben, egal, was wir tun, es ändert nichts. Das führt tatsächlich in Depressionen."
Besonders betroffen sind Heimbewohner und Kinder
Die direkten Folgen sind sichtbar – beispielsweise in den Altenheimen, in denen die Sterberaten zugenommen hätten, so Wagner. Aber auch bei Kindern müsse man befürchten, "dass nicht nur die Lerninhalte fehlen, sondern dass die Kinder auch anfangen, darunter zu leiden, nicht mehr mit Gleichaltrigen zusammen zu sein. Man wird sehen, wie sich das auswirkt.
Deswegen fände Wagner es sinnvoll, wenn sich Kanzlerin Merkel nicht nur von Virologen und Epidemiologen, sondern auch von Psychologen und Kinderärzten beraten ließe: "Es ist ja ein Abwägen zwischen einerseits medizinisch-epidemiologischen Konsequenzen, die zu ziehen sind, aber andererseits auch psychologischen Gesundheitskonsequenzen." Sollte sie das nicht tun, fürchtet Wagner, "dass Schäden zurückbleiben, die gar nicht unmittelbar jetzt erkennbar sind, aber langfristig schon Auswirkungen haben werden."