Wer genug hat von der überquellenden, trashigen Sonnenallee und wer auch keine Lust mehr hat auf den von Hipster-Familien heimgesuchten Weichselplatz, der im Anwohnerjargon nur noch "Kollwitzplatz 2.0“ heißt, der sollte sich mal auf den Weg machen zum Wildenbruchplatz. Das bisher eher versteckte Areal wurde erst kürzlich saniert, so dass die Wiesen und Bäume des rechteckigen, fußballfeldgroßen Platzes zwischen Kanal und Nord-Neuköllner Genossenschaftsblocks nicht mehr hinter Unkrauthecken vor sich hinschlummern. Jetzt bevölkern gut gelaunte Endvierziger in ausgebeulten Jogginghosen mit Bierflaschen bewaffnet die Bänke, Akademiker-Eltern schieben Kinderwagen und dirigieren ihren auf Laufrädern dahinsausenden Nachwuchs über die Parkwege. Ein paar Hipster mit amerikanischem Ostküstenakzent diskutieren auf der Wiese lümmelnd über Kunst und im Minutentakt flitzen Jogger durchs Gelände, während migrantische Nachbarn im Familienmodus auf der Wiese chillen und eine Hand voll Jugendlicher laut schreiend durch den Park rennt.

Die nahe gelegene Brücke über die Verlängerung des Landwehrkanals, der hier Neuköllner Schifffahrtskanal heißt, bietet bei Sonnenuntergang sogar noch ein paar freie Sitzplätze auf der Brüstung – im Gegensatz zu den westwärts liegenden Brücken, die hoffnungslos überfüllt sind wie die Admiralbrücke. Der Wildenbruchplatz mitsamt seinen kleinen Cafes und Restaurants an den Ecken bietet eine für Berliner Innenstadtbezirke mittlerweile selten gewordene soziale Mischung. Hier begegnen sich auf Wiesen und Wegen noch Menschen mit ganz unterschiedlichen Einkommen und sozialen Hintergründen. Das verleiht dem Platz eine magische Spannung, die vielerorts gerade aus unseren Städten verschwindet. Am Wildenbruchplatz gibt es sie noch. Aber beeilen Sie sich, wenn Sie das noch mal sehen wollen. Wer weiß, wie lang es dieses original Berliner Innenstadt-Soziotop noch gibt.