Anke Domscheit-Berg und Nina Pütz
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- Der Weg zur Gleichstellung: "Es hat sich noch nicht genug getan"

Ostdeutsche Frauen mussten mit der Einheit zurückstecken – auch hinsichtlich ihrer Selbstbestimmung. Wie steht es mit Gleichstellung der Frauen in Deutschland 30 Jahre nach der Wiedereinigung? Ein Gespräch mit Linken-Politikerin Anke Domscheit-Berg und Ratepay-Chefin Nina Pütz.

"Im Osten war es das normalste der Welt, dass Frauen wirtschaftlich unabhängig sind", sagt Anke Domscheit-Berg. Sie ist netzpolitische Sprecherin der Linksfraktion im Bundestag. Nach der Wende ist auch sie in den Westen abgewandert – "genau wie sehr, sehr viele junge ostdeutsche Frauen", berichtet sie. Sie habe gearbeitet, studiert, ihren Lebenslauf besser an die westdeutschen Verhältnisse angepasst und schließlich "extrem schnell Karriere gemacht – schneller auch als die Männer neben mit", sagt sie.

 

"Ein Bulldozer für andere Frauen"

 

Mit der Geburt ihres ersten Kindes aber habe sich etwas geändert: "Als Ostfrau war das eine sehr schräge Erfahrung", erinnert sie sich. Denn schon früh nach der Geburt sei sie wieder in den Job eingestiegen. "Da kam ein sehr großes Erstaunen, das kannte man nicht, dass da Frauen wiederkommen mit Kind", sagt sie. Sie sei wie der Bulldozer für andere Frauen gewesen: "Das war aber auch nicht immer einfach." Sie konnte zwar wieder einsteigen, wurde aber nicht mehr befördert.

Die Berlinerin und Chefin des Zahlungsdienstleisters Ratepayt, Nina Pütz, hingegen hat andere Erfahrungen gemacht. Sie habe schon früh in einem internationalen Umfeld gearbeitet. In Deutschland sei sie eine von wenigen Frauen gewesen, "aber global gesehen wurde schon sehr früh wahnsinnig viel Wert darauf gelegt, dass man einen bestimmten Anteil von Frauen in Führungspositionen hat", sagt sie.

Sie hingegen sei befördert worden, nachdem sie nach der Geburt ihres ersten Kindes zurück in den Beruf gekehrt sei. Sie sei immer ein gleichwertiges Mitglied des Unternehmens gewesen – egal mit Kind oder ohne, sagt Pütz.

 

"Es hat sich noch nicht genug getan"

 

Linken-Politikerin Domscheit-Berg sieht auch einen Teil des Erfolgs der voranschreitenden Emanzipation der westdeutschen Frau in der Einwanderung der Ostfrauen. Denn diese seien mit einer Erwartungshaltung gekommen und hätten es als selbstverständlich angesehen, unabhängig zu sein und auch mit Kind zu arbeiten. "Die haben ja auch anderen Frauen gezeigt, dass es auch anders geht und dass es gar nicht so schlimm ist, wie manche erzählen", sagt Domscheit-Berg.

Pütz sieht Teilerfolge in der Emanzipation, "doch es hat sich noch nicht genug getan", sagt sie. Auch hier sei ein Unterschied zwischen West- und Ostdeutschland deutlich erkennbar, sagt Domscheit-Berg. Der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen sei in ostdeutschen Bundesländern deutlich geringer, sagt sie.

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