Eine Fahrradrikscha wartet vor dem Brandenburger Tor in Berlin auf Kundschaft (Bild: imago)
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- Visit Berlin: "Bierbikes und Junggesellenabschiede sind grauenhaft"

Der große Berlin-Boom bei Touristen könnte einknicken. Es sieht derzeit so aus, als ob die Übernachtungszahlen in diesem Jahr nicht mehr steigen, sondern stagnieren. Ist die Friedrichshainer Dauerparty etwa vorbei? Der Senat hat am Dienstag ein neues Tourismuskonzept beschlossen, das mehr Qualität und weniger auf Party setzen will. Wie man das schaffen kann, sagt der Geschäftsführer der Marketingorganisation Visit Berlin, Burkhard Kieker, im Inforadio-Interview.  

Berlin habe bei den Besucherzahlen im vergangenen Jahr nur ein geringes Wachstum gehabt, gibt Kieker zu. "Das hat aber in erster Linie mit der Pleite von Air Berlin zu tun. Das war wie ein Verkehrsinfarkt", sagt er. Wenn ein Drittel der Flüge wegfalle, merke man das am Ende auch bei den Besuchern.

Den typischen Partytourismus mit Bierbikes und Junggesellenabschieden kritisiert der Geschäftsführer von Visit Berlin. "Bei den Bierbikes würde ich persönlich am liebsten die Luft aus den Reifen lassen und es ist mir auch völlig unverständlich, wie die Bezirke es nicht schaffen, das zu verbieten", so Kieker. Es sei wichtig, dass Politik und Tourismuswirtschaft an dieser Stelle zusammenarbeiten. "Es ist wie mit Kindern: Die Besucher sind eine große Bereicherung und wo sie über die Stränge schlagen, müssen wir ihnen auch die Grenzen zeigen."

Berlin setzt künftig auf "Qualitätstouristen"

Deswegen begrüßt er das Tourismuskonzept, das der Senat am Dienstag bei seiner Klausurtagung beschlossen hat. Darin steht, dass sich Berlin künftig noch stärker auf sogenannten Qualitätstourismus konzentrieren will.

Kieker sagt: "60 bis 70 Prozent unserer Besucher sind nach unserer Analyse bereits das, was man so als Qualitätstouristen bezeichnet – Leute, die auf Bildung und Kultur aus sind, auch Kongresstouristen." Ein Drittel aller Leute, die nach Berlin kommen, kämen wegen Messen und Kongressen.

Außerdem soll laut dem Konzept bei Touristen dafür geworben werden, auch die Außenbezirke verstärkt zu besuchen. Kieker freut sich über die zusätzlichen Mittel für diese Art der Werbung: "Bezirke wie Spandau, Treptow-Köpenick und Steglitz-Zehlendorf haben sehr viel zu bieten." Er setzt dabei vor allem auf "Wiederholungstäter, wie wir sie nennen, die zum fünften oder siebten Mal hierher kommen". Denen wolle er zeigen, was man in Berlin anderes erleben können.  

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Touristen an der Eastside Gallery
imago/Jochen Tack

Die Touristen - Fluch und Segen für Berlin

Der Tourismus in Berlin ist ein überaus zweischneidiges Schwert: Einerseits leben mehr als 230.000 Menschen in Berlin vom Tourismus, Bruttoumsatz: 11,5 Milliarden Euro. Die andere Seite der Medaille: Die Angst vor Verdrängung durch Ferienwohnungen und Kneipen. Auch im Alltag fühlen sich viele Berliner mittlerweile von den Touristen gestört. In Friedrichshain ist die Konkurrenz zwischen Anwohnern und Besuchern besonders zu spüren. Ab dem 29. Januar waren Inforadio-Reporter daher eine ganze Woche in dem Bezirk unterwegs: Wie groß ist die Angst vor Verdrängung, wie viel Geld bringt der Tourismus? Wie verträgt sich der Stolz, eine beliebte europäische Metropole zu sein, mit Lärm und Schmutz in den Partymeilen von Friedrichshain?