Drei Männer unterhalten sich auf einer Baustelle (Quelle: imago/Westend61)
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- Headhunter jagen Handwerker

Man kennt es aus dem Fußball: Der FC Bayern kauft der Konkurrenz regelmäßig die besten Spieler weg. Das Prinzip gibt es auch in der Handwerksbranche: "Headhunter" halten Ausschau nach guten Maurern, Klempnern oder Fleischereifachverkäufern und locken sie dann mit lukrativen Angeboten zur Konkurrenz. Inforadio-Reporter Oliver Soos hat mit einem Headhunter und einer leidgeprüften Unternehmerin gesprochen.
 

Die Berliner Bäckerei-Inhaberin will anonym blieben. Dass ihr Mitarbeiter abgeworben wurden, ist ihr unangenehm, doch sie möchte erzählen, wie es abläuft. "Wir sind eine sehr familiäre Firma, die Mitarbeiter sind uns ans Herz gewachsen", erzählt sie. "Deshalb waren wir jedes Mal sehr enttäuscht, als uns die Mitarbeiter weggebrochen sind.“ Sogar Lehrlinge im dritten Lehrjahr hätten den Betrieb gewechselt, zum Teil weil es woanders einen Euro mehr pro Stunde gab.

Die Bäckerin sagt, sie habe erfahren, dass in der Berufsschule offen über Gehälter gesprochen werde. Manche Chefs würden ihre Lehrlinge beauftragen, Klassenkameraden abzuwerben. "Gerade die neuen Bäckereiketten, die jetzt nach Berlin hineindrücken, haben uns sehr viele Leute abgeworben."

Headhunter vor dem Großhandel

In der Baubranche wird aggressiver abgeworben. Thorsten Dressler, ein Dachdecker aus Berlin-Lankwitz, hat beobachtet, dass vor einem Großhandel für Gas- und Wasserinstallation in Berlin-Steglitz manchmal Headhunter stehen und jeden ansprechen, der aus dem Auto steigt. Sie böten eine Prämie von 2.000 Euro und zwei Euro mehr pro Stunde als der aktuelle Arbeitgeber. Manche Arbeiter seien interessiert, andere nicht, erzählt Dressler.

Informanten auf Baustellen

Hans Peter Blisse von der "AVP - Arbeitsvermittlung und Personalberatung" in Berlin-Oberschöneweide ist so ein Headhunter. Doch er würde sich nie vor einen Baumarkt stellen. Blisse hat auf verschiedenen Baustellen Informanten, die nach guten Arbeitern Ausschau halten und Kontakte sammeln. Pro Jahr wirbt der Headhunter etwa zehn bis zwölf Handwerker für seine Kunden ab. Schwerpunkte seien dabei die Branchen Hochbau, Heizung, Sanitär- und Elektrotechnik. Besonders begehrt seien Bauleiter. "Der Markt ist voll, die Leute sind gesättigt, sie haben Arbeit", sagt Blisse. "Der Wechselwille ist vielleicht unterschwellig da, aber nicht ausgeprägt. Da muss man dann auf die Personen zielgerichtet zugehen."

Oft rufe er unter einem Vorwand bei einem fremden Unternehmen an und lasse sich mit der Zielperson verbinden. Dann komme es zu einer Art Vorverhandlung. Blisse versuche auszuloten, unter welchen Bedingungen der Arbeiter den Betrieb wechseln würde. Ein schlechtes Gewissen habe er nicht, denn seine Kunden seien oft selbst die Gelackmeierten. Arbeiter abwerben sei in der Baubranche mittlerweile gang und gäbe.

Mehr zum Kampf um die Fachkräfte erfahren Sie auf unserer Themenseite #wirmüssenreden.

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