Neubausiedlung in Teltow
Bild: imago/Rainer Weisflog

Immer mehr wollen in den Speckgürtel - Wachstumsschmerzen – das Umland boomt

Wohnen in Berlin wird immer schwerer zu bezahlen, deswegen zieht es viele Menschen in die Gemeinden im Umland. Die wiederum bekommen durch den Zuzug steigende Probleme mit der Infrastruktur. Welche "Wachstumsschmerzen" das sind und wie sie behoben werden sollen, schauen wir uns in fünf Brandenburger Gemeinden rund um die Hauptstadt an.

Noch vor wenigen Jahren galt: Brandenburg kann dem Berlin-Boom nur neidisch zusehen, denn die Mark wird leider über kurz oder lang aussterben. Doch die Prognosen sind überholt. Weil Wohnraum in der Hauptstadt immer knapper und teurer wird, drängen die Menschen ins Umland, den sogenannten Speckgürtel und darüber hinaus. In vielen Gemeinden führt das zu Problemen: es fehlt an Straßen, Zügen, Wohnungen, Kitas und Schulen - und trotzdem boomt die Region. Inforadio besucht in dieser Woche fünf Speckgürtel-Gemeinden und fragt nach den Rezepten gegen den Wachstumsschmerz.

Montag: Borkwalde - Kein Anschluss im Wald

Das kleine Borkwalde in Potsdam Mittelmark ist die Gemeinde in Brandenburg, die prozentual am stärksten gewachsen ist, nämlich stolze 382 Prozent seit der Wende. Darauf aber war die Gemeinde nicht vorbereitet. Neben Schulen fehlt die Verkehrsanbindung, Straßen sind Sandpisten, wer den Bus zum nächsten Regionalbahnhof Borkheide verpasst, hat ein Problem und in den Stoßzeiten ist kaum mehr ein Platz im Regio nach Berlin zu finden – Bürgermeisterin Renate Krüger (LINKE) fordert Landesmittel für den Straßenbau und eine schneller Taktung der Regionalzüge.

 

Dienstag: Bernau - Plötzlich ist alles möglich

Im ehemaligen Heeresbekleidungsamt in Bernau im Landkreis Barnim wurden einst die Uniformen der Wehrmacht gelagert, dann wohnten dort russische Soldaten und nach deren Abzug verrotten die riesigen Häuser - ein Schandfleck in der Stadt, den niemand haben wollte. Mit dem Bauboom fand sich nun ein Investor, der sich sicher ist: Bei den derzeitigen Immobilienpreisen kann selbst hier noch gutes Geld verdient werden. Bürgermeister André Stahl (LINKE) ist froh um den Glücksfall, denn eigentlich ist die Stadt längst voll.

 

Mittwoch: Mittenwalde - Irgendwo im Nirgendwo

Der Landesentwicklungsplan der Potsdamer Staatskanzlei sieht ein gelenktes Wachstum der Umlandgemeinden nach dem Siedlungsstern vor: Gemeinden an den Bahntrassen dürfen stark expandieren, die anderen weniger. Pech für Mittenwalde im Landkreis Dahme-Spreewald, das zwischen den Siedlungsstrahlen liegt: Der Bedarf ist riesig, sagt Bürgermeister (CDU), die Landesregierung bremse aber die Gemeinde aus und Grundstücke gehen mittlerweile für Preise weg, die nicht gerechtfertigt seien.

 

Donnerstag: Birkenwerder - Kitas und Schulen dringend gesucht

Der Landkreis Oberhavel ist besonders beliebt bei Familien, die aus der Hauptstadt in den Speckgürtel ziehen und trotzdem in der Stadt arbeiten, denn mit der S-Bahn ist man in Kürze im Berliner Stadtzentrum. Viele der direkt anschließenden Gemeinden sind geprägt von Grün und Einfamilienhäusern, genau das, was sich mittelständische Großstadtfamilien wünschen. Was aber hinterherhinkt, ist die Infrastruktur wie Kitas und Schulen. Stephan Zimniok (Wählergruppe Bürger im Fokus) ist über die Elternarbeit in der Schule zur Politik gekommen. Jetzt ist er Bürgermeister von Birkenwerder und versucht hier für ausreichend Schul- und Kitaplätze zu sorgen.

Freitag: Leegebruch - Bloß kein Pflegefall werden

Pflegekräfte fehlen zwar überall, im Speckgürtel ist das Problem aber besonders virulent. Einerseits leben hier immer mehr Menschen und Zuzügler holen gern ihre Eltern nach, andererseits wird eine Pflegekraft im nahegelegenen Berlin besser bezahlt als in Brandenburg, weshalb viele lieber in der Hauptstadt arbeiten. Uta Wabner, Leiterin einer mobilen Hauskrankenpflege in Leegebruch im Landkreis Oberhavel, findet kaum Personal mehr und musste Kunden bereits abweisen. Der Politik wirft sie vor, dass sie das Thema Personalnot in der Pflege ignoriert.