- Berlinale-Wettbewerb: Ága

Nun ist sie fast vorbei, die 68. Berlinale, die 19 Filme im Rennen um den Goldenen und die silbernen Bären sind gelaufen, auch fünf Beiträge außer Konkurrenz waren im Berlinale-Palast am Potsdamer Platz zu sehen. Den letzten Film hat sich Harald Asel angeschaut, er heißt "Aga" und führt uns in die Eiswüste.

Fast wird man schneeblind beim Betrachten dieser Bilder. Weit ist das flache Eis, weit der Himmel. Und ganz klein die Menschen. Ein Wohnzelt im Norden Sibiriens, ein alter Jäger, seine Frau, der Hund. Alltägliche Verrichtungen. "Dieses Jahr kommt der Frühling eher“, meint er, darauf sie: "Du wirst alt.“

Film lief zu spät

Gesprochen in der Sprache der Sacha, der Jakuten. Eingespielt die alten Geschichten, eingespielt das Schweigen, das worüber die beiden nicht reden. Einst hatten sie eine Rentierherde, jetzt meint der Alte manchmal im Eis ein Tier zu sehen. Hoch oben Kondensstreifen von Flugzeugen, mal fliegen zwei Hubschrauber mit Last vorbei, hier hingegen scheint die Zeit stehen geblieben zu sein. Und einmal kommt ein junger Mann mit dem Motorschlitten. Und da erfahren wir von der Wunde dieser Familie: Aga, die Tochter, ist in eine Diamantmine gegangen, man hat ihr bislang nicht verziehen.

Ein mächtiger Sturm, der das Zelt fast umreißt, das stumme Leiden der Frau an einer Krankheit. Als sie tot ist, macht sich der Mann endlich auf, die Tochter in der Diamantmine zu suchen, taucht ein in die Zivilisation. Wo er zum Fischen kegelförmige Löcher ins Eis gestoßen hatte, die bald wieder zufrieren, ist hier ein hunderte Meter tiefes Loch in die Erde gerissen, eine dauerhafte Wunde. Diese Bilder bleibe haften.

Vor ihrem Tod sprach die Frau von einem Traum, an deren Ende ein Loch stand, das alle Sterne in sich verschluckt hatte. Ganz unten steht nun der Alte seiner Ingenieurstochter Aga gegenüber. Tränen. Und ganz laut: Musik von Gustav Mahler. Warum nur kippt die leise Anmutung, die Sparsamkeit des Erzählens, jetzt ins Plakative, warum vertraut der Regisseur nicht dem Bild des Loches und der Abraumhalde  und muss auch noch einen Schwenk über die Bergarbeiterstadt hin zur Weißabblende machen?

Ohne diese Ausrufezeichen hätte die leise Wehmut über eine sterbende Kultur auch nach dem Verlassen des Kinos angehalten. Und den Film überhaupt ganz zum Schluss der Berlinale anzusetzen, wenn Auge und Gemüter schon müde und stumpf sind, das ist auch schade. Denn Filme mit leisen Geschichten marginalisierter Menschen von den Rändern der Welt, die sollten nicht als Alibiveranstaltung irgendwo angehängt werden, wenn sich alle schon mit den Spekulationen über die Preisträger der 68. Filmfestspiele Berlin befassen.      

Die Berlinale im Inforadio

Berlinale Palast mit Lichteffekten
imago/STPP

- Die 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin

Die 68. Berlinale ist zu Ende. Filme aus aller Welt wurden gezeigt. Große Stars waren zu Gast wie Bill Murray, Isabelle Huppert oder Willem Dafoe. Und am Ende standen Prämierungen, die nicht jeder nachvollziehen konnte. Die Kinokritiker von rbb Inforadio haben sich alle Wettbewerbsfilme angeschaut, Reiner Veit hat besondere Tipps gegeben und Alexander Soyez hat große Stars zum Interview getroffen. Hier können sie alles noch einmal nachhören.