- Berlinale-Reportage: 1968 - Rote Fahnen für alle

Im 50. Jahr nach 1968 wirft auch die Berlinale als politisches Festival einen Blick zurück. Wenn auch nur in einer kleinen Reihe. Das Sonderprogramm "1968 – Rote Fahnen für alle" läuft bei den Berlinale Shorts, also den Kurzfilmen und Susanne Bruha hat sich die revolutionären Filme angesehen.

In der Schlange vor dem Kino Arsenal gibt es auffällig viele weißhaarige Köpfe. Helmut aus Göttingen war 1968 zwar erst zwölf, aber er ist seit 40 Jahren Berlinale-Gänger und hat in den 70er Jahren in diversen westdeutschen Städten Kommunal-Kinos mitgegründet. Dort liefen genau solche Filme, wie sie am Montagabend hier laufen - das damalige neue deutsche Kino.

Die meisten Rezipienten an diesem Abend müsste Helmut nicht mehr überzeugen, viele sind Freunde oder Verwandte der Filmemacher. Los geht es mit inhaltlich politisch-motivierten Filmen. Wie "Antigone" von Ula Stöckl. Sie hat in dem Film 1964 die Tragödie in sieben Minuten auf ihren zeitlos-relevanten Kern reduziert -  erläutert sie dazu:  "Ich weiss nicht, was ich getan hätte, wenn ich nicht noch ein Kind gewesen wäre zur Hitlerzeit. Das habe ich mich immer gefragt. Und Antigone ist für mich eine große Widerstandskämpferin, die ich bewundere für ihren Mut."

 

Der kürzeste Film der Reihe ist Valie Exports einminütiges "Tapp und Tastkino". 1968 lief die damals 29-jährige österreichische Filmemacherin auf öffentlichen Plätzen mit einem Kasten vor den nackten Brüsten herum und gestattete Passanten 33 Sekunden beide Hände durch die Öffnungen zu strecken und ihre nackten Brüste zu berühren.

Nach diesen sehr konkreten '68er Filmen, laufen eine ganze Menge abstrakter Kurzfilme. Hier darf man jetzt am eigenen Leibe nachvollziehen, wie sehr es den Filmemachern damals auch darum ging dem klassischen Kino formell was entgegen zu setzen. Sound und Bilder sind extrem anstrengend:

Dass diese Art Kino in den 60ern Debatten ausgelöst hat, leuchtet ein. Heute wird nicht mehr diskutiert, das Publikum verlässt einfach so reihenweise den Saal.

Es ist fast ein Uhr nachts und aus drei Stunden Programm drohen fünf zu werden - denn manche Kurzfilme gehen mehr als 30 Minuten und zudem sind viele der Alt-68er Filmemacher gekommen und es gibt immer wieder Filmpausen, in denen die auf der Bühne über die alten Zeiten plaudern. Sich die Nächte um die Ohren schlagen mit Kunst und Diskurs - echtes '68er Feeling auf der Berlinale?

Die Berlinale im Inforadio

Berlinale Palast mit Lichteffekten
imago/STPP

Berlinale - Die 68. Internationalen Filmfestspiele Berlin

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